Familie von toten Jogger (26) verklagt Staat – «warum leben Bären in Italien?»

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Im Wald angegriffenFamilie von totem Jogger (26) verklagt Staat – «warum leben Bären in Italien?»

Nach der tödlichen Attacke auf einen Jogger in Norditalien ziehen die Angehörigen vor Gericht. Sie fechten einen Entscheid der EU aus 1999 an, Bären in der Region wieder anzusiedeln.

A.P. (26) kehrte am 5. April 2023 vom Joggen nicht zurück.
Die Autopsie bestätigte, dass er von einem Braunbären angegriffen wurde. 
Die Leiche des Joggers wurde Stunden später nahe einem Forstweg in einem bei Wanderern und Touristen beliebten Waldstück in Val di Sole gefunden.
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A.P. (26) kehrte am 5. April 2023 vom Joggen nicht zurück.

Facebook/A.P.

Darum gehts

  • In Norditalien wurde ein 26-jähriger Jogger tot aufgefunden.

  • Die Autopsie bestätigte, dass er von einem Braunbären angegriffen wurde.

  • Die Familie des Opfers zieht nun gegen den italienischen Staat vor Gericht.

Der Schock in der Gemeinde Caldes in der norditalienischen Provinz Trient sitzt tief: Am Freitag hat eine Autopsie bestätigt, dass der 26-jährige A.P. von einem wildlebenden Bären angegriffen und getötet wurde. Der Trentiner war am Mittwochabend vom Joggen nicht zurückgekehrt – kurz danach schlug seine Familie Alarm. 

Der zerfleischte Körper des Joggers wurde Stunden später nahe einem Forstweg in einem bei Wanderern und Touristen beliebten Waldstück in Val di Sole gefunden. Die Leiche des Mannes wies tiefe Kratzer auf dem Körper und im Gesicht auf, am Bauch hatte er Bisswunden sowie eine tiefe Wunde. Die Art der Verletzungen legte sehr bald den Verdacht nahe, dass es sich um eine Bärenattacke handeln könnte. 

Nun wollen die Angehörigen die Autonome Provinz Trient und den italienischen Staat wegen der Wiedereinführung von Bären im Trentino verklagen. Dies teilte die Mutter des Opfers der Zeitung «Alto Adige» mit. Im Visier steht die Art und Weise, in der das Wiederansiedlungsprojekt «Life Ursus» ohne ein konsultatives Referendum unter der Bevölkerung des Gebietes umgesetzt wurde. 

Alle «problematischen» Bären erschiessen

1999 waren in einem von der EU geförderten Projekt zehn Braunbären aus Slowenien im Trentino angesiedelt worden. Die Tiere vermehrten sich. In den vergangenen Monaten haben die Bären mehrere Tiere gerissen, erst Anfang März hat Exemplar MJ5 einen Menschen angegriffen. Der Wanderer überlebte die Attacke mit schweren Verletzungen am Kopf und am Arm.

Der Bär, der A.P. tötete, soll nun identifiziert und anschliessend getötet werden, forderte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, Mario Fugatti, am Freitagabend. «Dieser Bär muss entfernt werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten», sagte er. Allgemein sollten alle «problematischen» Tiere erlegt werden.

MJ5 wird seit Jahren immer wieder in den Dolomiten gesehen.

20min/noh

Geteilte Meinungen bei Tierschutzorganisationen

Während Tierschutzorganisationen gegen die Anordnung der Trentiner Landesregierung protestieren und vor der Gefahr einer «Hexenjagd» gegen die Bären warnen, ist WWF Italien damit einverstanden, dass «in diesem Fall, angesichts der Schwere des Vorfalls», der Bär erlegt werde. 

Die Tierschutzorganisation Lega Anti Visezione (kurz LAV) sieht die Verantwortung für den Tod eines Menschen ebenfalls beim Staat – aber anders als es die Familie von A.P. betrachtet, ist nicht das Tier schuld daran: Leiter Massimo Vitturi ist der Meinung, dass die Institutionen nicht in der Lage waren, die friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Bären zu fördern.

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Den Bären in seinem Lebensraum schützen

LAV ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass MJ5 – der im tödlichen Angriff an A.P. verdächtigt wird – erschossen wird, wie aus der Website der Organisation zu entnehmen ist. «Wir werden in Gerichtssälen und auf der Strasse auf jede Bedrohung für das Leben der Bären reagieren und weiterhin die mögliche, notwendige, friedliche Koexistenz aller pflegen», droht Vitturi. 

Nicht der Bär muss sterben, sondern der Mensch lernen, mit dem Tier zusammenzuleben. LAV fordert, dass etwa Abfallkübel beseitigt werden, weil Reste von Lebensmitteln die Tiere anlocken. Auch sollte dem Menschen der Zugang zu bestimmten Wäldern zu bestimmten Jahreszeiten verboten werden, wie es in anderen Ländern üblich ist.

Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?

Hier findest du Hilfe:

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen

Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29

Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch

Lifewith.ch, für betroffene Geschwister

Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen

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