Flucht in EuropaTod im Ärmelkanal: Illegale Migration steuert auf Rekordjahr zu
Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute, der Strom von illegalen Migranten reisst nicht ab. Auf dem Ärmelkanal zeichnet sich ein Rekordjahr ab – für einige endet die Überfahrt tödlich.
Darum gehts
Am Dienstag überquerten 880 Geflüchtete in kleinen Booten den Ärmelkanal, ein Rekord für dieses Jahr.
Insgesamt registrierten britische Behörden 12'313 Ankünfte, mehr als in den Vorjahren.
Die Überfahrt hat in diesem Jahr bereits 18 Todesopfer gefordert.
Ein neuer Rekord zeichnet sich auch auf den Kanaren ab: 18'000 Menschen sind bereits dort angekommen, 4808 haben auf dem Weg ihr Leben verloren.
Am Dienstag machten sich 882 Geflüchtete in kleinen Booten von der französischen Küste auf in Richtung Grossbritannien. Es ist die höchste Zahl an Menschen, die dieses Jahr an einem einzigen Tag den Ärmelkanal überquert hat. Damit wurden dieses Jahr von den britischen Behörden bisher 12’313 Ankünfte registriert – mehr als zur selben Zeit im Jahr 2022 und 2023.

Am Ärmelkanal zeichnet sich ein Rekordjahr ab. Bereits über 12'000 Menschen haben die Meerenge zwischen Frankreich und Grossbritannien illegal überquert.
AFPVersucht haben es laut Zahlen der europäischen Grenzwache Frontex 21’820 illegale Migranten. Dabei sind bisher 18 Menschen ums Leben gekommen. Letztes Jahr waren es insgesamt 24. Die Flucht über den Ärmelkanal scheint in jeglicher Hinsicht auf ein Rekordjahr zuzusteuern.

Immer mehr Menschen riskieren ihr Leben, um von Frankreich nach Grossbritannien zu gelangen.
20min/Taddeo CerlettiVerschiebung von Lastwagen zu Booten
Dies lässt sich laut einem Bericht der NGO «Global Initiative» auf einen allgemeinen Anstieg der illegalen Migration in den letzten zwei Jahrzehnten, aber auch auf strengere Grenzkontrollen zurückführen. «Zuvor hatten die Schmuggler versucht, die Menschen in Lastwagen zu verstecken. Angesichts der verschärften Überwachung und der Abriegelung durch die Behörden begannen sie jedoch, auf kleine Boote auszuweichen, die ein einfaches und effizientes, aber für die Passagiere weitaus gefährlicheres Transportmittel darstellten.»
Um überhaupt von Frankreich nach Grossbritannien zu gelangen, müssen es die Migrantinnen und Migranten erst einmal aus ihren Herkunftsländern nach Europa schaffen. Die meisten von ihnen kommen über das Mittelmeer, über Italien und Griechenland. Eine Route wird aber immer wichtiger: von Westafrika zu den Kanarischen Inseln und damit nach Spanien.

Bereits Zahlen bis Ende April zeigen, dass dieses Jahr viel mehr Menschen die gefährliche Flucht über den Atlantik bis zu den Kanaren auf sich nehmen.
20min/Taddeo CerlettiKonflikte und Klima treiben die Menschen aufs Meer
Bis Ende Mai sind etwa 18’000 Menschen auf den Kanaren angekommen. Experten prognostizieren, dass es bis Ende Jahr über 41’000 Menschen sein werden. Ein neuer Rekord. 4808 sind unterwegs auf dem Atlantik gestorben, das besagen Zahlen der spanischen NGO «Caminando Fronteras». Mit ein Grund dafür: Der Strom an Menschen ist dieses Jahr auch im Winter und unter den schlechtesten Wetterbedingungen kaum kleiner geworden.
Wie kommt diese Verschiebung zustande? «Weil mehr Menschen aus der Sahelzone in Westafrika flüchten. Es ist nicht so, dass Geflüchtete ihre Route wählen», sagt der Migrationsforscher Etienne Piguet. Menschen aus Mali, Burkina Faso und dem Sudan fliehen vor Konflikten, solche aus Senegal und Mauretanien vor allem vor den Folgen des Klimawandels.
Neu ist diese Krise nicht, aber sie hat sich in den letzten Jahren und Monaten weiter verschärft. Und: «Meine These ist, dass Menschen die Unruhen und damit das Chaos im Senegal nutzten, um von dort auf die Kanarischen Inseln zu kommen. Mit den Wahlen im März wurde dieses Zeitfenster aber geschlossen», sagt Piguet.

Mit solchen Booten versuchen Geflüchtete aus der Sahelzone auf die Kanaren und damit in die EU zu kommen.
AFPEnglisch ist einfacher als andere Sprachen
In der illegalen Überquerung des Ärmelkanals haben sich die Flüchtlingsströme aus afrikanischen Ländern noch nicht niedergeschlagen. Die meisten Menschen, die diese riskante Überfahrt auf sich nehmen, kommen nach wie vor aus Afghanistan, dem Iran und der Türkei. Sie fliehen vor Gewalt und Repression und hoffen auf Arbeit.
Dass sie nicht in der EU bleiben wollen, sondern ihr Leben riskieren, um nach Grossbritannien zu kommen, hat laut Experten verschiedene Gründe. Einer ist die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern. Was laut Ryan Schroeder vom «Missing Migrants Project» zusätzlich für Grossbritannien spricht: «Im Vergleich zu anderen Sprachen ist Englisch relativ einfach zu lernen. Viele Geflüchtete haben auch schon rudimentäre Kenntnisse.»
Wie Schlepperbanden die Flucht organisieren und mit der Not der Geflüchteten Millionen verdienen, liest du morgen im zweiten Teil unserer Migrationsserie.
Wusstest du, dass Menschen ihr Leben riskieren, um von Frankreich nach England zu kommen?
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.