Thailand - Flughafenhalle wird zum Feldspital und Züge sind jetzt COVID-Stationen

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ThailandFlughafenhalle wird zum Feldspital und Züge sind jetzt COVID-Stationen

Es gibt keine freien Spitalbetten mehr, Menschen sterben unbeachtet auf der Strasse: Angesichts solcher Szenen ergreifen die thailändischen Behörden nun Notfallmassnahmen.

Thailand erlebt einen Rekordanstieg an Corona-Neuinfektionen und Sterbefällen – angetrieben von der besonders ansteckenden Delta-Variante des Erregers.
Schutzanzüge gehören mittlerweile zum Alltag: Passagiere am internationalen Suvarnabhumi Airport in Bangkok. Mittlerweile sind alle Inlandsflüge gestrichen.
Angesichts der hohen Rekordansteckungs- und Sterberaten greifen die thailändischen Behörden zu  Notfallmassnahmen: In einer Wartungshalle des riesigen Bang-Sue-Bahnhofs werden 240 Betten in 15 Zugwaggons aufgestellt.
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Thailand erlebt einen Rekordanstieg an Corona-Neuinfektionen und Sterbefällen – angetrieben von der besonders ansteckenden Delta-Variante des Erregers.

AFP

Erst Musterschüler, jetzt das Gegenteil: Wo Thailand Anfang des Jahres noch als Vorzeigeland in der Pandemiebekämpfung galt, das über Monate kaum Neuansteckungen verzeichnete und lange einen Alltag ohne Einschränkungen geniessen konnte, sieht heute die Corona-Situation düster aus.

Nach einem Virusausbruch unter Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern auf einem Fisch-Grossmarkt und illegalen Partys der Reichen und Schönen, die sich in Bangkok zu Superspreadern auswuchsen, ist das Coronavirus mit seiner hochansteckenden Delta-Mutante seit April landesweit auf dem Vormarsch. Am Donnerstag wurden 17’669 neue Fälle binnen 24 Stunden gemeldet, 165 starben in diesem Zeitraum mit oder am Virus – ein Höchststand seit Pandemiebeginn.

Züge für Corona-Patienten

Schon vor Tagen zeigten sich die Gesundheitsbehörden in Bangkok alarmiert: In den öffentlichen Krankenhäusern seien alle Intensivbetten mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten belegt. Inzwischen würden Patientinnen und Patienten schon in den Notaufnahmen behandelt.

Zur Entlastung des Gesundheitssystems in Bangkok werden Corona-Patientinnen und -Patienten mittlerweile mit der Bahn in ihre Heimatprovinzen gebracht. Ein Zug mit mehr als 100 Patientinnen und Patienten und Pflegerinnen und Pflegern, alle in Schutzkleidung, hat am Dienstag den Bahnhof in Richtung Nordosten verlassen. Er soll in sieben Provinzen Halt machen, wo die Patientinnen und Patienten in Empfang genommen und in Krankenhäuser gebracht werden sollen.

«Es handelt sich um Patientinenn und Patienten aus Bangkok, die nicht in Krankenhäusern behandelt werden konnten», sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul. «Wir wollen sie zu Ärztinnen und Ärzten in ihren Heimatstädten bringen.»

Im Kampf gegen die Pandemie spielen Züge in Thailand auch sonst eine Rolle. So sollen in einer Wartungshalle des riesigen Bang-Sue-Bahnhofs 240 Betten in 15 Waggons aufgestellt werden. Die Halle soll als eine Art Voraufnahmezentrum für Corona-Patientinnen und -Patienten ohne Symptome dienen.

Feldhospital im Flughafen

Weitere Notfallmassnahmen umfassen zudem ein Frachtgebäude im Flughafen Bangkok-Don Mueang, in dem ein Feldspital eingerichtet wird. Dafür wurden in der riesigen Halle Betten aus Karton samt Matratzen und Kissen ausgelegt; bezugsfertig soll sie in zwei Wochen sein – und bis zu 1800 Patienten aufnehmen können. Da vor zwei Wochen alle Inlandsflüge gestrichen wurden, ist der Flughafen aktuell ohnehin kaum in Betrieb.

Ein Frachtgebäude im Flughafen Bangkok-Don Mueang wird zu einem Feldspital umfunktioniert.

Ein Frachtgebäude im Flughafen Bangkok-Don Mueang wird zu einem Feldspital umfunktioniert.

AFP

Im Grossraum Bangkok warten nach Behördenangaben gut 6100 Patientinnen und Patienten auf freie Betten, 103 von ihnen sind in kritischem Zustand, 1410 weisen mässig schwere Symptome auf, 4662 haben einen milden Verlauf.

Zuletzt wurden an COVID-19 Erkrankte tot auf den Strassen aufgefunden – erst letzte Woche lag in Bangkok eine Leiche stundenlang unbemerkt auf einer Strasse. Die Menschen hatten Berichten zufolge draussen oder in ihren Wohnungen auf eine Behandlung gewartet, doch Hilfe hatte sie keine erreicht.

Die Pandemie hat Thailands Gesundheitssystem völlig überlastet. Freiwillige kaufen mit Spenden Ausrüstung und Medikamente und antworten täglich auf etwa 100 SOS-Rufe. Mittlerweile sind sie ein lebenswichtiges Sicherheitsnetz für viele geworden.

Die Pandemie hat Thailands Gesundheitssystem völlig überlastet. Freiwillige kaufen mit Spenden Ausrüstung und Medikamente und antworten täglich auf etwa 100 SOS-Rufe. Mittlerweile sind sie ein lebenswichtiges Sicherheitsnetz für viele geworden.

AFP

Kambodscha schliesst Grenze

Die Regierung von Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha steht daher massiv in der Kritik – auch wegen des schleppenden Impfprogramms und der Versäumnisse bei der Vakzin-Beschaffung (mehr dazu hier zum Nachlesen). Die Behörden hoffen, noch in diesem Jahr 100 Millionen Impfdosen bereitstellen und 70 Prozent der Bevölkerung impfen zu können. Bisher haben rund 18,5 Prozent der 69 Millionen Einwohner mindestens eine Dosis erhalten, aber nur 5,5 Prozent gelten als vollständig geimpft.

Wegen der raschen Verbreitung der Delta-Mutante in Thailand hat Kambodscha Konsequenzen gezogen und am Donnerstag seine Grenzen zum Nachbarland geschlossen. Für acht kambodschanische Provinzen wurden zudem ein Lockdown und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit verhängt.

Modellprojekte für Phuket und Samui

Neben Phuket gibt es auch auf Thailands zweitgrösster Insel Ko Samui ein Modellprojekt für geimpfte Touristen. So dürften vollständig Geimpfte aus 69 Ländern quarantänefrei auf der beliebten Insel Ferien machen, darunter auch Reisende aus der Schweiz. Jedoch gelten strenge Regeln. In Ko Samui müssen sich Besucher in den letzten 21 Tagen vor ihrer Abreise in ihrem Heimatland aufgehalten haben. Zudem müssen sie einen negativen PCR-Test vorweisen und sich auch während der Ferien mehrfach testen lassen. Auch der Nachweis einer speziellen Krankenversicherung ist Pflicht. Zur Verfügung stehen spezielle Hotels, die im Vorfeld gebucht werden müssen. Anders als auf Phuket dürfen Touristen auf Ko Samui aber die ersten drei Tage das Hotelgelände nicht verlassen und dürfen auch danach bis zum Ende der ersten Woche nur bestimmte Regionen der Insel besuchen. In der zweiten Woche können Gäste sich dann frei bewegen und auch auf die Nachbarinseln Ko Phangan und Ko Tao fahren. (DPA)

(DPA/AFP/gux)

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