Ethische und rechtliche FragenForschende wollen erstmals synthetische Embryos entwickelt haben
Die Nachricht über künstlich erzeugte embryoähnliche Strukturen aus menschlichen Zellen sorgt bei Fachleuten für Aufsehen. Die synthetischen Embryos sollen echten menschlichen Embryonen sehr ähnlich sein.
Darum gehts
Forschende haben laut britischen Medien mit Stammzellen erstmals synthetische menschliche Embryonen hergestellt.
Bislang wurden die künstlich erschaffenen Embryos nur an einem Vortrag erwähnt.
Eine Studie oder andere wissenschaftliche Daten dazu gibt es noch nicht.
Das Ganze soll laut dem verantwortlichen Team der Erforschung früher zellulärer Entwicklungsprozesse dienen.
Trotz des grossen Potenzials wirft derlei Forschung ethische und rechtliche Fragen auf.
Premiere: Forschende haben an der Jahrestagung der International Society for Stem Cell Research in Boston bekannt gegeben, dass es ihnen erstmals gelungen sei, menschliche Embryonen im Labor herzustellen. Davon berichtet «theguardian.com». Eine offizielle wissenschaftliche Publikation, die das bestätigt und weitere Details verrät, gibt es bislang noch nicht.
«Dies könnte ein wichtiger wissenschaftlicher Schritt sein», sagte Alfonso Martinez Arias, Entwicklungsbiologe an der Universität Pompeu Fabra und der University of Cambridge zum Science Media Center SMC. «Aber wir müssen die vollständige Studie und die Daten sehen, bevor wir solche Aussagen treffen können.» Hinzu kommt, dass die an der Konferenz angesprochene Arbeit ernste ethische und rechtliche Fragen aufwirft.
Was genau haben die Forschenden gemacht?
Das Team um die Entwicklungsbiologin Magdalena Zernicka-Goetz von der University of Cambridge und dem California Institute of Technology hat laut eigener Aussage sogenannt synthetische Embryonen hergestellt. Diese sind nicht durch Verschmelzung von Eizelle und Spermium entstanden, sondern wurden aus embryonalen Stammzellen künstlich hergestellt.
Wozu soll das gut sein?
Die synthetischen Embryonen, die den Embryonen in den frühesten Stadien der menschlichen Entwicklung bis zum 14. Tag ähneln sollen, könnten nach Ansicht der Forschenden einen entscheidenden Einblick in die Auswirkungen genetischer Störungen und die biologischen Ursachen wiederholter Fehlgeburten geben, so «theguardian.com».
Könnte das Tierversuche überflüssig machen?
Ja, zumindest in diesem Forschungsbereich. Bisher könnten solche Vorgänge nur in Zebrafisch- und Mausmodellen beobachtet werden, so Ildem Akerman, Professor für funktionelle Genomik und Diabetes an der University of Birmingham zum SMC. Rein aus Stammzellen erzeugte Zellen könnten das ändern: «Es kann wertvolle Einblicke in genetische Störungen geben. Zudem kann sie helfen, die In-vitro-Fertilisation (IVF)-Technologien weiterzuentwickeln.»
Selina und Fabio sind mithilfe künstlicher Befruchtung Eltern geworden. Dabei kam für sie nur eine Methode infrage.
20min/A. Zingg/M. SpicherWie muss man sich einen synthetischen Embryo vorstellen?
Bei den vom Team um Zernicka-Goetz erzeugten Embryonen soll es sich um Vorstufen menschlicher Embryonen handeln. Sie sollen bis zu einem Stadium kultiviert worden sein, das knapp über das 14-tägige Entwicklungsstadium eines natürlichen Embryos hinausgeht. Das heisst: Sie haben weder ein schlagendes Herz noch die Anfänge eines Gehirns, enthalten aber Zellen, aus denen sich normalerweise die Plazenta, der Dottersack, Vorläuferzellen der Keimzellen und der Embryo selbst bilden würden.
Die Meldung hat für Aufregung gesorgt. Warum?
Es gibt ernste ethische und rechtliche Fragen, da die im Labor gezüchteten Embryonen nicht unter die geltenden Rechtsvorschriften vieler Länder fallen. Vielerorts ist es verboten, menschliche Embryos über 14 Tage hinaus im Labor zu kultivieren. Die Richtlinien orientieren sich massgeblich an einer Leitlinie der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) aus dem Jahr 2016. Demnach galt das Überschreiten der 14-Tage-Regel als «unzulässige Forschungsaktivität».
2021 wurden die Leitlinien angepasst: Seither dürfen durch künstliche Befruchtung oder aus menschlichen Stammzellen hergestellte Embryonen länger als die bisher maximal gängigen 14 Tage im Labor heranwachsen. Forschende sollten die Embryonen so lange im Labor kultivieren können, wie es dem jeweiligen Forschungszweck dient – allerdings nur nach strenger Prüfung.
Könnten die synthetischen Embryos auch Frauen eingesetzt werden?
Das ist unklar. Die Frage, ob die embryonalen Strukturen theoretisch das Potenzial haben, die Organbildung anzustossen, ist jedoch wichtig. Derzeit ist eine Übertragung der synthetischen Embryonen auf eine Frau zur Etablierung einer Schwangerschaft weltweit laut den aktuellen Richtlinien der ISSCR untersagt.
Wie denkst du über synthetische Embryonen?
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