«So wie ich bin»Fotografin «neutralisiert» gestylte Menschen
Unser Styling hat eine enorme Wirkung: Wie gross diese ist, zeigt die junge Fotografin Sina Guntern (18), indem sie Menschen sämtliche individuelle Gestaltung wegnimmt.
Gefärbte Haare, Tattoos, Piercings und zerrissene Jeans: Jeder Mensch hat einen Style. Über die Wirkung davon hat Sina Guntern (18) das Fotoprojekt «So wie ich bin» realisiert. Die Bilder sind bis Ende April bei der Internetgalerie www.fotodok-galerie.ch der Stiftung Fotodokumentation Kanton Luzern (Fotodok) zu sehen.
«Die 18-Jährige setzt sich oft und gerne damit auseinander, was Menschen durch ihr Styling aus ihrem naturgegebenen Äusseren machen und wie der Eindruck damit andere Menschen beeinflusst», schreibt die Stiftung über Sina Guntern. Die Fotografin selbst sagt, sie setze sich schon längere Zeit mit dem Thema Mensch und dessen Aussehen auseinander. «Mir ist dabei aufgefallen, dass das Erscheinungsbild einer Person einen wesentlichen Einfluss auf sein Umfeld hat.» Für sie ist ein menschlicher Körper wie eine leere Leinwand, die gefüllt werden kann.
Vorher/Nachher-Bilder verblüffen
Diese Haltung hat sie zu ihrem Fotografieprojekt inspiriert; sie ist in der Ausbildung zur Fotografin EFZ im Fotostudio Bruno Meier in Sursee. Das Projekt «So wie ich bin» funktioniert ganz einfach: Guntern fotografierte Menschen so, wie sie auf die Strasse gehen. Dann neutralisierte sie diese Personen und lichtete sie ganz ohne individuelle Gestaltung wie Körperschmuck, wilde Frisuren oder Tätowierungen ab. Die Tattoos entfernte sie entweder mit Photoshop oder Make-up. Ausserdem steckte sie alle Personen für das neutralisierte Bild in weisse T-Shirts und Blue Jeans. Dann fügte sie die beiden Fotos zusammen; links die Street-Version, rechts die neutrale Variante. Das Ergebnis ist verblüffend: Teilweise erkennt man die Menschen fast nicht mehr wieder. «Mir geht es nicht darum, die Personen in meinen Bildern ‹normal› zu machen», sagt die 18-jährige Wahlluzernerin. Sie möchte einfach jeden erkennen lassen, wie viel das eigene äusserliche Gestalten, das jeder selbst bestimme, ausmachen könne. «Wir sind stark vom ersten Eindruck einer Person eingenommen und bilden uns schnell eine Meinung über sie.»
Einige Fotomodelle hat sie von der Strasse weg gecastet, andere stammen aus ihrem Freundeskreis. «Die Suche verlief leichter als erwartet. Ich dachte, die Leute würden abweisender auf meine Anfrage reagieren. Die meisten waren offen, nur wenige skeptisch», sagt die junge Bernerin.
«Ich trage gerne ausgefallene Frisuren»
Auch sie selbst hat ein auffälliges Äusseres: «Ich habe manchmal etwas spezielle und ausgefallene Frisuren», sagt sie mit einem Schmunzeln. Auch das habe sie bei der Entstehung des Projekts beeinflusst. Dieses ist eine Erfolgsgeschichte: Für «So wie ich bin» erhielt Sina Guntern 2014 in der Photobastei Zürich den Canon Award.