Drei Personen vor GerichtFrau erleidet nach Geburt wegen Insulin-Überdosis schwere Hirnschäden
Eine Mutter erhielt nach der Geburt fälschlicherweise die zehnfache Dosis Insulin. Sie erlitt Hirnschäden und starb später in einer Reha-Klinik. Nun müssen sich drei Personen vor Gericht verantworten.
Darum gehts
In der Geburtenabteilung des Inselspitals geschieht am 24. September 2015 ein gravierender Fehler. Eine Frau hatte ein Kind auf die Welt gebracht, doch am Morgen befindet sie sich in einem schlechten Zustand. Sie hat eine Nierenerkrankung und ihr drohen akute Herzrhythmusstörungen. Die Hebamme erhält von der Assistenzärztin den Auftrag, der Frau eine Mischung aus Glukose und Insulin zu verabreichen.
Doch die Hebamme verrechnet sich und zieht die zehnfache Dosis Insulin auf. Die frischgebackene Mutter erleidet eineinhalb Stunden nach der Verabreichung einen Blutzuckerabfall und, damit verbunden, schwere Hirnschäden. Sie verfällt in ein Wachkoma und stirbt drei Jahre später in einer Reha-Klinik.
Drei Personen vor Gericht
Wie die «Berner Zeitung» berichtet, stehen in dieser Woche drei Personen vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland: die mittlerweile pensionierte Hebamme, die Assistenzärztin und der Nierenarzt. Die Staatsanwältin und die Privatklägerschaft werfen ihnen fahrlässige Tötung vor. Jede der drei Personen sei in der Lage gewesen, den Schaden abzuwenden – wenn sie korrekt gehandelt hätte.
Vor Gericht sagte die Hebamme aus, dass es sich um eine ihr unbekannte Therapie gehandelt habe, wie die «Berner Zeitung» weiter schreibt. Der Fehler sei ihr wegen der Beschriftung der Verpackung unterlaufen. Dort sei vermerkt, dass die Konzentration 100 Einheiten Insulin pro Milliliter betrage, wobei die Flasche zehn Milliliter der Lösung enthalte. Sie habe irrtümlicherweise gelesen, dass der gesamte Inhalt 100 Einheiten Insulin aufweise. Deshalb die zehn Mal zu hohe Dosis.
Ausserdem sei sie unter Zeitdruck gestanden. «Es war eine lebensbedrohliche Situation. Die Frau brauchte sofort Hilfe», sagte sie laut «Berner Zeitung» vor Gericht.
Höchste Strafe für Nierenarzt beantragt
Die Assistenzärztin sei im Sinne des 4-Augen-Prinzips beigezogen worden, sie habe aber bald wieder ans Telefon gemusst. Die Ärztin ihrerseits betonte, dass Aufsicht und Kontrolle von Hebammen nicht zu ihren Aufgaben gehört haben.
Das Leben der Frau wäre wohl noch zu retten gewesen, wenn man die Überdosis rechtzeitig bemerkt hätte. Doch ihr Blutzuckerspiegel sei nicht überwacht worden. Die Staatsanwältin beantragte denn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 400 Franken (bedingt) die höchste Strafe für den Nierenarzt. «Er war fachlich zuständig für die Therapie – unabhängig vom Standort des Bettes – und hätte die Notwendigkeit von Blutzuckermessungen erwähnen müssen», sagte sie.
Für die Assistenzärztin forderte sie 20 Tagessätze à 400 Franken, für die Hebamme zehn Tagessätze à 60 Franken (beides bedingt). Das Urteil wird am Donnerstag erwartet.
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