Rassismus – Frauen mit Afro-Frisur werden wegen ihrer Haare beleidigt und diskriminiert

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RassismusFrauen mit Afro-Frisur werden wegen ihrer Haare beleidigt und diskriminiert

Viele Frauen mit Afrolocken tragen ihre Haare in der Öffentlichkeit nie auf natürliche Weise, um negative Reaktionen zu vermeiden. Ein Frisuren-Diskriminierungsverbot soll dies ändern.

Trisha Martins versteckt ihre Haare unter einer ihrer zahlreichen «Wigs», wie SRF-«rec.» zeigt.
Ohne Perücke geht Trisha Martins kaum aus dem Haus.
 Alessandra Goh Bollier wollte «dazugehören». Um so glatte Haare wie ihre Freundinnen zu haben, streckte sie ihre Afrohaare regelmässig mit Streckmitteln.
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Trisha Martins versteckt ihre Haare unter einer ihrer zahlreichen «Wigs», wie SRF-«rec.» zeigt.

Screenshot/SRF

Darum gehts

Ohne Perücke geht Trisha Martins kaum aus dem Haus. Ihre Haare versteckt sie unter einer ihrer zahlreichen «Wigs». «Mit normalen braunen geraden Haaren bin ich einfach da. Mit meinen anderen Haaren schauen mich die Leute an und wollen sie ständig anfassen», sagt die 27-Jährige. Alessandra Goh Bollier wollte «dazugehören». Um so glatte Haare wie ihre Freundinnen zu haben, streckte sie ihre Afrohaare regelmässig mit Streckmitteln. Dafür nahm sie in Kauf, dass ihre Haare beim Ausspülen des schädlichen Mittels ausfielen.

Ein Dokfilm von SRF-«rec.» zeigt, dass der Kampf für eine typisch europäische Haarpracht für viele schwarze Frauen in der Schweiz Alltag ist. Ihr Ziel: sich vor Diskriminierung und fremden Händen in ihren Haaren zu schützen. Yvonne Apiyo Brändle-Amolo, Co-Präsidentin der SP-MigrantInnen Zürich, bestätigt 20 Minuten: «Es ist immer noch unmöglich, mit einer Afrofrisur ungestört herumzulaufen.»

Arbeitgeber verlangten andere Frisur

Ständig erlebe sie Passantinnen und Passanten, die blöde Sprüche machten oder ihre Haare anfassen wollten, so die gebürtige Kenianerin. «Auch Kinder lachen mich oft aus und holen noch andere dazu, um sich gemeinsam über meine Frisur lustig zu machen.»

Viele Frauen mit Afrohaaren werden laut Brändle-Amolo von Arbeitgebern unter Druck gesetzt. «Oft heisst es: ‹Entweder du änderst deine Frisur oder du musst gehen.›» Offen getragene Afrohaare gälten oft als ungepflegt. Aber auch Zöpfchen und Dreadlocks stiessen auf Kritik. Einst habe sie in einem Casino als Croupière gearbeitet und dünne Dreadlocks getragen. «Meine Chefin sagte, ich müsse die Dreadlocks abschneiden, weil sich Kunden beschwert hätten, dass hier jemand aus der Kifferszene arbeite.»

«Afrohaare sind natürlicherweise nicht glatt»

Einige US-Bundesstaaten verbieten (siehe Box) explizit Diskriminierung aufgrund der Frisur und Haarstruktur. Brändle-Amolo fordert, dass die Schweiz mit einem spezifischen Anti-Diskriminierungs-Gesetz nachzieht, das solche Fälle miteinschliesst. «Die Menschen in der Schweiz müssen verstehen, dass Afrohaare natürlicherweise nicht glatt sind und unsere Frisuren zu unserer Kultur gehören.»

Die Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) registriert immer wieder rassistische Meldungen im Zusammenhang mit Frisuren. «Vor allem in Schulen werden schwarze Kinder aufgrund ihrer Haare gehänselt», sagt Geschäftsleiterin Dina Wyler. Die Schweiz habe Gesetze und Normen, die vor Diskriminierung schützten. «Sollte sich aufgrund neuer Datengrundlage herausstellen, dass die bestehenden Gesetze nicht genügend Schutz bieten, könnte eine Gesetzesanpassung diskutiert werden.»

Melden oder anprangern sei besser als Gesetz

Auch auf politischer Ebene stehen Forderungen im Raum. Grünen-Nationalrätin Meret Schneider sieht ein gezieltes Gesetz als notwendig. «Genauso wie Diskriminierung aufgrund von Religion und Kultur nicht in Ordnung ist, darf auch niemand aufgrund seiner Haare Nachteile erfahren.»

Bürgerliche Politiker sind zurückhaltend. «Dass Menschen in der Schweiz wegen ihrer Haare diskriminiert werden, ist tragisch und muss bekämpft werden», sagt FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Doch man könne nicht für jedes Problem ein Gesetz erlassen. «Wer von Diskriminierung betroffen ist, sollte dies einer internen Stelle des Arbeitgebers melden, und wenn sich danach nichts ändert, den Vorfall öffentlich anprangern.»

Crown Acts

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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