Neue StudieTrotz weniger Arbeit – darum haben wir immer weniger Freizeit
Schweizerinnen und Schweizer müssen für ihr Geld immer weniger arbeiten. Trotzdem nimmt die Freizeit ab und alle fühlen sich dauernd gestresst. Das sind die Gründe.
Darum gehts:
Schweizerinnen und Schweizer erledigen immer weniger Erwerbsarbeit.
Trotzdem wird Stress zu einem wachsenden Problem, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt.
Das hat zwei Gründe: Einerseits arbeiten wir immer mehr unbezahlt – und andererseits lassen wir uns auch von der Freizeit zunehmend stressen.
Aufstehen, frühstücken, zur Arbeit fahren, wieder nach Hause, kochen, essen. Dazwischen die Wohnung putzen, den Coiffeurtermin abmachen, mit dem Auto in die Waschanlage und den Hund Gassi führen. Die defekte Musikanlage sollte seit Wochen ersetzt werden, die Petflaschen stapeln sich, die Ballettstunde steht an und auf dem Handy bleibt bereits die vierte Nachricht der Mutter, ob man sich wieder einmal sehe, unbeantwortet.
Die Menschen in der Schweiz fühlen sich zunehmend gestresst. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts: Knapp 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter fühlen sich häufig oder gar fast immer aufgrund von Zeitmangel gestresst. Fast zwei Drittel sagen, dass Zeitstress in den letzten fünf Jahren ein wachsendes Problem ist.
Mehr Stress trotz weniger Lohnarbeit
Schaut man sich die Zeit an, die wir täglich auf der Arbeit verbringen, erstaunt das: Seit 1950 arbeiten wir laut den Zahlen des Bundesamts für Statistik nämlich immer weniger für Geld. Verbrachten Schweizerinnen und Schweizer 1950 noch 2500 Stunden pro Jahr mit Lohnarbeit, sind es heute noch 1500 – eine Abnahme um 37 Prozent.
Für den dauernden Stress gibt es zwei Gründe: Einerseits nimmt die unbezahlte Arbeit sowohl für Männer als auch für Frauen laufend zu. Im Vergleich zu 2010 haben Schweizerinnen und Schweizer also insgesamt weniger Freizeit (siehe unten).
Auch die Freizeitgestaltung stresst die Menschen
Doch auch die Freizeit stresst die Menschen zunehmend. Gianluca Scheidegger, Co-Autor der GDI-Studie, sieht dafür drei Gründe: «Erstens haben wir immer mehr Möglichkeiten, unsere Zeit zu gestalten, während wir immer nur die gleichen 24 Stunden pro Tag zur Verfügung haben. Das heisst: Die Anzahl an Dingen, die man in der verfügbaren Zeit nicht tun kann, steigt. Das verstärkt das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn man nicht jede Minute produktiv nutzt. Faulenzen ist verpönt», sagt der Konsumforscher.
Zweitens merke man oft nicht, wie viel Zeit der Medienkonsum fresse. Diese Zeit fehle dann anderswo. «Und drittens verschmelzen Arbeits- und Freizeit immer mehr miteinander. Während der Arbeit wird erwartet, dass man sofort auf die Whatsapp-Nachrichten von Freunden reagiert. Und nach Feierabend oder an Wochenenden werden oft noch Geschäftsmails beantwortet.»
Das Gefühl, nie Zeit für sich selber zu haben und ständig unter Stress zu stehen, beschäftigt auch die 20-Minuten-Community. Arbeitspsychologin Hildegard Nibel erklärt im Interview, was es mit den Menschen macht, wenn sie zu wenig oder zu viel Freizeit haben. Und auch, wieso 30 Minuten «echte Freizeit» am Tag eigentlich ausreichen würden.
Frauen arbeiten mehr unbezahlt, Männer mehr für Lohn
Im Vergleich zu 2010 wenden Frauen laut den aktuellsten Zahlen im Schnitt je eine Stunde mehr für bezahlte und unbezahlte Arbeit auf. Männer arbeiten zwar 2,5 Stunden weniger für Lohn, dafür 2,9 Stunden mehr unbezahlt. Während Frauen 2020 60,5 Prozent der unbezahlten Arbeit übernommen haben, leisteten Männer 61,4 Prozent der Lohnarbeit. Alleine im Jahr 2020 haben Schweizerinnen und Schweizer 9,8 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit geleistet. Im Vergleich: Für Lohnarbeit haben sie im selben Jahr 7,6 Milliarden Stunden aufgewendet.
Weshalb hast du wenig «echte» Freizeit?
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