Freunde und Helfer

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Freunde und Helfer

Sie sind Lebensretter, Psychologen und Meteorologen in Personalunion. Und manchmal müssen sie auch Polizist spielen — ein Blick
in die Seele der Schweizer Bademeister.

Text und Fotos -- Claudia Schlup

Franziska Felber (34),

Freibad St. Jakob, Basel

Was tun Bademeister eigentlich,

wenn es regnet?

Wir passen auf die wenigen Gäste auf, die trotzdem erscheinen. Oder wir üben etwas. Kürzlich haben wir simuliert, was zu tun ist, wenn jemand von einem Baum fällt.

Ist das schon einmal vorgekommen?

In meiner Zeit nie. Meistens kurieren wir Bienenstiche und verteilen Heftpflaster. Ab und zu müssen wir Kinder behandeln, die auf der Rutschbahn ineinandergerast sind.

Wie reagieren die Gäste auf eine hübsche junge Frau wie dich?

Ganz normal — aber das hat wohl mit meiner ruhigen Art zu tun. Klar gibt es Witze. Etwa Gäste, die sagen: «Ich ertränke mich jetzt — komm mich retten!»

Werden so auch Kontakte geknüpft?

Eher mit älteren Leuten. Sie machen einen wichtigen Teil unserer Kundschaft aus und haben hier ein zweites Zuhause. Viele kommen jeden Tag vorbei und sagen guten Tag. Mit ihnen habe ich spannende Diskussionen.

Gibt es jemanden, der dir besonders

am Herzen liegt?

Mein Grossvater, natürlich. Er ist über achtzig und kommt fast jeden Tag vorbei und fragt nach mir.

Ruedi Hofmann (45), Marzili, Bern

Wann haben Sie zum letzten Mal jemanden gerettet?

In der letzten Saison. Eine Frau wurde in der Aare von einem

herunterstürzenden Baum eingeklemmt. Da sprang ich hinein.

Was dachten Sie in diesem Augenblick?

Ich musste kühlen Kopf bewahren und genau überlegen, wo ich hineinsprang, damit ich nicht auch in den Strudel geriet.

Was war das Lustigste, was Sie erlebt haben?

Ich lernte meine Frau bei der Arbeit kennen. Sie trippelte ganz

vorsichtig ins Wasser. Ich sagte: «Wenn alle Leute so ins Wasser

gingen, müssten wir 24 Stunden offen haben.»

Sehr charmant.

Ja, sie fand das frech. Aber zwei Stunden später sassen wir zusammen im Café (lacht).

Guckt man als Bademeister auch sonst schöne Menschen an?

Ich sage immer: Gucken darf man, gaffen nicht.

Florian Kaeser (18), Freibad St. Jakob, Basel

Wie wird man so jung Bademeister?

Ich habe die entsprechenden Kurse gemacht. Ich bin allerdings nur in den Ferien Bademeister, sonst gehe ich ans Gymnasium.

Respektieren dich die Leute?

Kinder und Teenager auf jeden Fall. Die nehmen es sogar einfacher an, wenn ich sie zurechtweise. Ab und zu passiert es, dass Erwachsene komisch schauen.

Erinnerst du dich noch an den ersten Tag als Bademeister?

Klar, das war einer der wichtigsten Momente für mich. Allerdings auch ein schwieriger. Ich stand vor dem Becken und wurde mir der riesigen Verantwortung bewusst, die ich habe.

Kamst du schon als Kind hierher?

Ja, ich war dauernd hier. Jeden Mittwoch nach der Schule bin ich in die Badi gerannt.

Was gefällt dir hier besonders?

Der Sprungturm ist das Beste. Früher war ich total angefressen vom Springen, heute mache ich ab und zu ein paar einfache Figuren.

Yvonne Birker (26), Marzili, Bern

Wie sagt man eigentlich einem weiblichen Bademeister?

Gute Frage. Bademeister, denke ich. Es beleidigt mich jedenfalls nicht, wenn die Leute mich so nennen.

Was ist die meistgestellte Frage, die du hörst?

Wie lange ist das Becken? Wie warm ist die Aare?

Und was sagst du, wenn jemand fragt, was das Spezielle am Marzili ist?

Wir sind das schönste Bad Europas. Direkt neben der Aare und unter dem Bundeshaus!

Wo gehst du hin, wenn du Ferien hast?

Im Sommer muss ich ans Wasser, im Winter boarde ich in den Bergen.

Hast du ein Wassersport-Idol?

Mich beeindrucken die Big-Wave-Surfer extrem.

Ist Bademeister ein Traumjob?

Ein Albtraumjob (lacht). Nein, im Ernst: Ich geniesse es wahnsinnig, im Sommer draussen zu sein. Auch wenn der Job viel Arbeit mit sich bringt, die man nicht sieht.

Pascal Bleuel (40), Utoquai, Zürich

Du bist 40 und siehst aus wie 28. Verdankst du das deinem Job?

Ich glaube, ich hatte Glück mit den Genen. Ausserdem habe ich Grenzerfahrungen in den verschiedensten Lebensbereichen gemacht (grinst). Das hält jung. Und natürlich trägt auch meine Arbeit dazu bei.

Warum?

In der Natur arbeiten zu können, empfinde ich als Geschenk.

Die Sonne ist die beste Psychotherapie. Und das Wasser hat für mich einen philosophischen Wert.

Inwiefern?

Wasser ist beseelt. Vor meiner Arbeit als Bademeister war ich Berater beim Wirtschaftsamt. Eines Tages, in Thailand, habe ich mich in

die Wellen gelegt, mich mit allen Zwängen und Ängsten meiner Existenz

auseinander gesetzt und die dem Wasser übergeben. Darauf habe ich meinen Job gekündigt. Das war wie eine Wiedergeburt.

Wie fühlt man sich danach?

Viel glücklicher und zufriedener. Die Entscheidung, sich von den Zwängen unserer Gesellschaft loszusagen, war etwas vom Wichtigsten für mich.

Aber Zwänge hat man doch auch als Bademeister?

Ich habe sehr viele Freiheiten hier. Die Menschen im Utoquai sind extrem angenehm.

Möchtest du am Wasser sterben?

Wo ich sterbe, ist mir eigentlich egal. Aber was ich mir wünsche, ist, dass meine Asche einst irgendwo in die Wellen gestreut wird.

Roger Herrmann (51), Utoquai, Zürich

Was treibst du im Winter so?

Ich verreise meistens nach Kalifornien, denn ich bin auch Sportmasseur und Berufstaucher.

Ein Traumjob.

Genau. Ich habe als Taucher aber auch auf Öltürmen im Golf von Mexiko gearbeitet und Reparaturen gemacht. Das ist weniger spassig.

Was macht dir Spass an der Arbeit?

Wir haben ein super Umfeld, die Arbeit ist sehr publikumsbezogen. Ausserdem: Schau mal hinaus aufs Wasser, dann weisst du, warum das ein schöner Job ist. Die Sonnenuntergänge sind herrlich.

Was ist weniger schön?

Letzte Saison hat ein Gast einen toten Riesenfisch geborgen und ihn durchs halbe Bad geschleift. Der bestialische Gestank war kaum wegzukriegen.

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