Wirkstoff Metformin – Führt Diabetes-Medikament zu Genital-Fehlbildungen bei männlichen Babys?

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Wirkstoff MetforminFührt Diabetes-Medikament zu Genital-Fehlbildungen bei männlichen Babys?

Laut einer Analyse sind männliche Babys, deren Väter vor der Zeugung Metformin einnahmen, häufiger von Geburtsfehlern betroffen. Die Therapieempfehlungen dürften sich dennoch nicht ändern.

Der Wirkstoff Metformin senkt den Blutzucker und hilft so bei Typ-2-Diabetes. 
Entsprechend ist er in vielen Antidiabetika enthalten – auch in solchen, die in der Schweiz zugelassen sind. 
Doch nun wirft eine im Fachjournal «Annals of Internal Medicine» erschienene Studie von Forschenden der Universitäten Süddänemark und Stanford Fragen auf.
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Der Wirkstoff Metformin senkt den Blutzucker und hilft so bei Typ-2-Diabetes. 

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Darum gehts

Medikamente mit dem Wirkstoff Metformin gelten als erstes Mittel der Wahl für die Behandlung von Personen mit Typ-2-Diabetes. Der Wirkstoff wird vor allem dann eingesetzt, wenn sich die Blutzuckerwerte durch Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung allein nicht senken lassen. Auch in der Schweiz sind mehrere Metformin-haltige Präparate zugelassen (siehe Bildstrecke).

Der Stoff hemmt ein Enzym für die Glukosebildung in der Leber und bremst so die Aufnahme des Zuckers aus der Nahrung im Darm. Doch nun wirft eine Studie Fragen auf. Laut dieser könnte zwischen der Einnahme des Mittels bei Vätern und genitalen Missbildungen der kurz darauf gezeugten Kinder ein Zusammenhang bestehen.

Daten von mehr als einer Millionen Geburten ausgewertet

In der im Fachjournal «Annals of Internal Medicine» veröffentlichten Studie hat das Team um Maarten Wensink von der Universität Süddänemark in Odense untersucht, ob Metformin und andere Diabetesmittel sich auch auf die Fortpflanzung auswirken. Anlass dafür war der Umstand, dass die Zahl diabeteskranker Männer im zeugungsfähigen Alter stark zunimmt. Zudem gab es Hinweise, dass die Enzyme, an denen Metformin ansetzt, auch bei der Spermienbildung eine Rolle spielen könnten.

Daher werteten Wensink und seine Kollegen die Daten des dänischen Nationalregisters zu mehr als einer Million Geburten von 1997 bis 2016 aus, in denen auch Angaben über Fehlbildungen notiert waren. Im nationalen Arzneimittelregisters prüften sie, ob und wann die Väter und Mütter der Kinder wegen Diabetes Insulin, Metformin oder Sulfonylharnstoff eingenommen hatten.

Wirkstoff und Zeitraum der Einnahme 

Bei rund 36’500 Neugeborenen – das heisst bei 3,3 Prozent aller Neugeborenen in diesem Zeitraum – lag ein Geburtsfehler vor. Bei 7069 davon hatten Mutter oder Vater vor der Geburt der Kinder ein Diabetesmittel eingenommen. Während nach der mütterlichen Einnahme keine erhöhte Fehlbildungsrate gefunden wurde, war dies bei den Männern anders – und abhängig davon, welchen Wirkstoff sie vor der Zeugung eingenommen hatten.

So zeigte die Auswertung bei der Einnahme von Insulin keine erhöhten Risiken für Geburtsfehler. Anders sah das bei der Einnahme von Sulfonylharnstoffen aus: Hier zeigte sich ein leicht erhöhtes Risiko, allerdings waren die Zahlen zu gering für aussagekräftige Rückschlüsse. Bei der Einnahme von Metformin ermittelte das Team ein leicht erhöhtes Risiko für Fehlbildungen, insbesondere an den Genitalien bei Buben.

Die Ergebnisse der dänischen Forschenden legen nahe, dass auch der Zeitpunkt der Einnahme eine Rolle spielt: Wenn die Väter in den drei Monaten vor der Zeugung Metformin eingenommen hatten, lag der Anteil der Missbildungen bei den Kindern höher als im Durchschnitt. Wurde es jedoch vor oder nach der in diesem Zeitraum stattfindenden Spermienentwicklung eingenommen, fand sich kein erhöhtes Risiko.

Kein Grund für Therapieänderung

Einen kausalen Zusammenhang beweist die Studie allerding nicht, wie das Team um Wensink betont. So sei in den Daten etwa nicht ersichtlich gewesen, ob der Blutzucker der Männer richtig eingestellt war. Auch das könne eine Rolle spielen. Die Ergebnisse lieferten aber Anlass für weitere Forschungen.

Die Forschenden raten Männern mit Diabetes, die Väter werden wollen, davon ab, Metformin abzusetzen: «Es ist ein sicheres Medikament», zitiert Science.org Wensink. Es sei billig und es tue, was es tun müsse: Nämlich den Blutzuckerspiegel kontrollieren. Auch der von Aerzteblatt.de befragte Wolfgang Rathmann, Professor und Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie am Deutschen Diabetes Zentrum der Leibniz Universität Düsseldorf, sieht für einen Medikamentenwechsel keinen Grund: «Es ist eindeutig zu früh, anhand einer einzigen Studie eine Änderung der Therapieempfehlungen auszusprechen.

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