Gastronomie«Mein Trinkgeld zu versteuern, finde ich unnötig»
Die Besteuerung von Trinkgeldern bei Kartenzahlungen sorgt für Gesprächsstoff innerhalb der Gastronomiebranche. Betroffene Leserinnen und Leser erzählen von ihren Erfahrungen.
Darum gehts
In der Schweiz müssen Trinkgelder als Einkommen versteuert werden, sobald sie einen «wesentlichen Teil des Lohnes» ausmachen.
Der Geschäftsführer eines Restaurants führte die Besteuerung Anfang Jahr ein und sieht darin diverse Vorteile für Mitarbeitende.
Drei Leserinnen und Leser, die regelmässig Trinkgelder erhalten, sind gegen die Besteuerung von Trinkgeldern.
Immer öfter bezahlen Schweizerinnen und Schweizer bargeldlos. Somit werden auch Trinkgelder zunehmend digital und sichtbar für die Steuerbehörden. Rechtlich müssen in der Schweiz Trinkgelder versteuert werden, sobald sie einen «wesentlichen Teil des Lohnes» ausmachen. Obwohl laut «NZZ am Sonntag» nicht genau definiert ist, was darunter zu verstehen ist, sind sich Arbeitsrechtler und Gastronomen einig, dass dies ab einem Anteil von zehn Prozent des Jahreslohnes der Fall ist. Auch ein Teil der Community erhält regelmässig Trinkgelder und teilt ihre Meinungen bezüglich einer Besteuerung.
«Trinkgeld soll nicht versteuert werden»
T.C. arbeitet seit rund einem halben Jahr als Aushilfe in der Gastronomie. Sie arbeite lediglich einmal pro Woche auf Stundenlohnbasis und sei nicht sonderlich auf das Trinkgeld angewiesen. «Wenn ich dennoch etwas erhalte, schätze ich das sehr, der Gast war happy und ich habe das Richtige getan.» Die 31-Jährige bekomme pro Einsatz etwa 20 bis 35 Franken Trinkgeld, was selten mehr als zehn Prozent entspreche. «Mein Trinkgeld zu versteuern finde ich unnötig, denn es ist nicht viel. Auch bei Vollzeitangestellten sollte Trinkgeld nicht versteuert werden.»
«Wir versteuern seit Anfang Jahr Trinkgelder»
Ganz anderer Meinung ist Colin, Inhaber eines Restaurants in Basel: «Die Besteuerung von Trinkgeld hat für Mitarbeitende grosse Vorteile. Wird Trinkgeld dem Lohn hinzugefügt, ist die Entschädigung im Fall von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit höher.» Zudem sei die Rente im Alter besser. «Seit Anfang Jahr besteuern wir Trinkgeld, welches mehr als zehn Prozent des Monatslohns ausmacht. Nur selten erreichen Mitarbeitende diesen Prozentsatz nicht, denn durchschnittlich beträgt das tägliche Trinkgeld 60 bis 100 Franken», so Colin. Zu Beginn seien die Reaktionen der Mitarbeitenden negativ gewesen, doch würden die meisten nun die Vorzüge erkennen.
Gibst du Trinkgeld?
«Verstehe nicht, warum man Geringverdienenden Kleinstbeträge wegnehmen soll»
Pädu arbeitete fünf Jahre als Restaurant-Kurier und habe täglich etwa 15 bis 20 Franken Trinkgeld erhalten. «Meistens gaben gerade diejenigen Menschen Trinkgeld, die bescheiden leben und selbst kaum etwas haben», erzählt Pädu. Heute bringe er Kunden medizinische Produkte und da sei Trinkgeld noch seltener. «Ich nehme aber auch gerne einen Kaffee oder ein Lächeln.» Pädu habe gar kein Verständnis für eine Besteuerung von Trinkgeld. «Personen in Berufen mit den niedrigsten Einkommen bezahlen wir ein Trinkgeld als Geschenk. Das sind keine Millionäre! Ich verstehe wirklich nicht, warum man Geringverdienenden diese Kleinstbeträge wegnehmen soll.»
Coiffeuse M.J. hat ab gewissen Beträgen Verständnis für eine Besteuerung. «Ich erhalte lediglich 50 bis 100 Franken Trinkgeld pro Monat. Damit kaufe ich mir Arbeitsutensilien wie eine neue Coiffeurschere oder einen Föhn.» M.J. sei sehr froh über diese Wertschätzung. «Verdient jemand 1500 Franken Trinkgeld pro Monat, kann ich eine Besteuerung aber schon nachvollziehen.»
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