Gefährliche Sex-Spiele

Aktualisiert

Am Rande des TodesGefährliche Sex-Spiele

Die Leiche des US-Kultstars David Carradine hing nackt in einem Schrank, Kordeln um Hals und Genitalien. «Mister Kung Fu» starb wohl an einem autoerotischen Spiel, das fatal missglückte. Er wäre nicht das erste Opfer.

von
Daniel Huber

Carradine war am 4. Juni in einer Hotelsuite in Thailand gefunden worden. Die Polizei ordnete wegen «ungewöhnlicher Umstände rund um den Tod Carradines» eine Autopsie an. Zunächst war von Selbstmord die Rede gewesen. Die Umstände, in denen die Leiche gefunden wurde, lassen aber eine andere Vermutung als viel wahrscheinlicher erscheinen: Carradine wurde das Opfer eines missglückten autoerotischen Sexspiels. Der 72-jährige Schauspieler sei möglicherweise versehentlich erstickt oder bei einem Orgasmus an Herzversagen gestorben, sagte ein Polizeisprecher.

Gefährliche Luststeigerung

In der Tat kann das Ergebnis eines misslungenen Sex-Spiels wie ein Selbstmord aussehen; und gar nicht so selten wird wohl diskret von Suizid gesprochen, wo es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes ging. Die so genannte erotische Asphyxie kann mittels verschiedener Praktiken herbeigeführt werden, dient aber immer einem bestimmten Ziel: der Luststeigerung.

Ob die Sauerstoffzufuhr nun mit einer Strangulation eingeschränkt wird oder mit einer über den Kopf gezogenen Plastiktüte – auch Gasmasken und andere Utensilien können dafür dienlich sein –, der grundlegende physiologische Mechanismus ist derselbe: Der Sauerstoffmangel im Hirn führt dazu, dass die Grosshirnrinde in ihrer Funktion beeinträchtigt wird und den Thalamus und den Hypothalamus – jene Hirnregionen, die die Lustempfindung steuern – nicht mehr wie üblich hemmt. Dies soll zu einem intensiveren Orgasmus-Gefühl führen.

Der ultimative Kick kann aber schnell mal der letzte sein: Die Gefahren der erotischen Asphyxie sind nicht zu unterschätzen. Jedes Jahr sterben Schätzungen zufolge zwischen 250 und 1000 Menschen in den USA an verunglückten Sex-Spielen; die überwiegende Mehrzahl davon Männer. Einige davon waren prominent: So soll Michael Hutchence, der Sänger der Pop-Band INXS, 1997 auf diese Weise gestorben sein – obwohl Suizid als offizielle Todesursache gilt. Hutchence hatte sich mit dem Gurt erhängt.

Erektion am Galgen

Das erste bekannte Opfer der auto-erotischen Strangulation ist der tschechische Komponist Frantisek Kotzwara, der 1791 in den Armen einer Prostituierten starb. Kotzwara hatte eine Kordel am Türgriff festgebunden und um seinen Hals gewickelt. Der luststeigernde Effekt einer Strangulation dürfte aber schon früher bekannt gewesen sein; immerhin hatte man früher bei öffentlichen Hinrichtungen oft festgestellt, dass gehängte Männer in der Agonie eine Erektion bekamen.

1968 erwischte es den Hollywood-Schauspieler Albert Dekker, der von seiner Verlobten nackt mit einer Schlinge um den Hals in der Badewanne gefunden wurde. Zudem trug er Handschellen, seine Augen waren verbunden und auf seinem Körper standen mit Lippenstift geschriebene Obszönitäten. Zuerst wurde wegen Mordes ermittelt, aber schliesslich wurde die Angelegenheit als Unfall ad acta gelegt.

Auch der Schöpfer der Comic-Figur Cheech Wizard, Vaughn Bodé, soll 1975 an autoerotischer Strangulation gestorben sein. Möglicherweise versuchte Bodé aber auch, seine Meditation durch dieses Mittel zu intensivieren. Seinem Sohn soll er jedenfalls kurz vor seinem Tod gesagt haben: «Mark, ich habe Gott viermal gesehen, und ich werde ihn bald wieder sehen.»

Politiker-Spiele

Grosse Schlagzeilen machte schliesslich der Tod des britischen Tory-Abgeordneten Stephen Milligan. Der konservative Politiker wurde im Februar 1994 von seiner Putzfrau auf dem Küchentisch gefunden; der 45-Jährige trug nur Damenstrümpfe und um den Hals ein Elektrokabel. Sein Kopf steckte in einer Plastiktüte; im Mund befand sich ein Stück geschälte Orange.

Ein anderer britischer Politiker, der dem selben Missgeschick erlag, war Kristian Etchells, Parteimitglied der rechtsextremen British National Front. Der 29-Jährige wurde Anfang 2005 in seiner Wohnung mit dem Netzkabel eines Teekochers um den Hals gefunden, vor ihm auf dem Boden lag ein Pornomagazin.

Dass die Sexualpraktik der Asphyxie so oft letal endet, hat auch mit dem Tabu zu tun, das sie umgibt und auch dafür verantwortlich ist, dass so oft Suizid als offizielle Todesursache angegeben wird. Das Tabu sorgt auch dafür, dass jene Leute, für die sich solche Praktiken zur Sucht entwickelt haben, kaum je Hilfe suchen. Dabei ist die autoerotische Asphyxie ganz einfach zu gefährlich, um sich mit ihrer Hilfe einen Kick zu holen. Und wer es doch nicht lassen kann, sollte wenigstens jemanden bei sich haben, der im Notfall Hilfe leisten kann. Doch genau dies verhindert in der Regel das Tabu, das auf dieser Art der sexuellen Praktik liegt.

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