Geheimdienst-Expertin«Das war nicht das letzte Ass im Ärmel Israels»
Shira Kaplan, ehemalige Geheimdienstmitarbeiterin aus Israel, erklärt, warum Israel jetzt bereit ist, gegen die Hisbollah vorzugehen.
Darum gehts
Die Hisbollah wurde von der koordinierten Explosion Tausender Pager überrascht, die vermutlich durch Israel vorbereitet wurde.
Shira Kaplan, Ex-Mitarbeiterin des israelischen Geheimdienstes, gibt Einblicke in die Taktik Israels.
Kaplan weist darauf hin, dass Israel bereit sein könnte, mit der Hisbollah aufzuräumen.
Die schiitische Terrororganisation Hisbollah wurde von der koordinierten Explosion Tausender Pager überrascht. Shira Kaplan, ehemalige Mitarbeiterin des militärischen Geheimdienstes Israels und heute Unternehmerin in der Schweiz, ordnet ein.
Wer ist Shira Kaplan
Shira Kaplan (41) ist eine israelische Unternehmerin und Investorin im Bereich Cybersicherheit, die seit 13 Jahren in der Schweiz lebt. Sie hat an der Harvard Universität Politikwissenschaft studiert und verfügt über einen Master in Finanz- und Bankwesen der HSG. Zuvor diente sie in der Unit 8200, einer Eliteeinheit des israelischen Geheimdienstes.
Frau Kaplan, hinter der Pager-Attacke steht Israel – oder gibt es daran noch irgendwelche Zweifel?
Shira Kaplan: Israel hat meines Wissens bislang in keiner Weise offiziell die Verantwortung übernommen – aber wir können davon ausgehen, dass es so ist.
Das ist nach dem Attentat auf Hamas-Leader Hanija in Iran schon die zweite hochkomplexe Operation, die spektakulär gelungen ist. Wer denkt sich solche Pläne aus?
Kaplan: Israel verfügt über sehr kreative Menschen in verschiedensten Organisationen – sei das der Auslandsgeheimdienst Mossad, der Inlandsgeheimdienst Schin Bet oder der IDF-Geheimdienst. Aber auch unsere Staatsmänner sind kreativ: Ehud Barack oder der verstorbene Ishak Rabin sind zum Beispiel mehrmals als Frauen verkleidet zu geheimen Treffen gereist, ohne aufzufliegen. Unsere Fähigkeit zu überleben basiert auf dieser Kreativität – ohne sie wären wir Israelis schon lange tot.
Die einzige Person, die den Krieg um Israel stoppen kann, ist Donald Trump.
Wie wahrscheinlich ist eine Beteiligung der USA an der Pager-Aktion?
Kaplan: Das kann ich nicht sagen. Wir haben zurzeit eine sehr milde Administration in den USA, daher denke ich eher nicht. Ich glaube – und das ist nicht als Unterstützung zu verstehen, ich bin wertemässig klar eine Demokratin –, ich glaube, die einzige Person, die den Krieg um Israel stoppen kann, ist Donald Trump. Dasselbe gilt übrigens auch für den Ukraine-Krieg.
Bleiben wir im Libanon: Was war das Hauptziel dieser Aktion? Die Hisbollah zu schwächen?
Kaplan: Es geht hier sicher nicht um eine blosse Provokation. Es ist eher so, dass Israel an einem Punkt angelangt ist, wo es bereit ist, mit der Hisbollah aufzuräumen. Stillsitzen ist ganz einfach keine Option mehr.
Aber Israel hat diese raffiniert und wohl sehr aufwendig vorbereitete Karte damit auch aus der Hand gegeben und verspielt, was möglicherweise auch einen Zugzwang mit sich bringt. Ist das zwangsläufig der Auftakt für eine Bodenoffensive im Libanon?
Kaplan: Die Kommunikation gehört zu den wertvollsten und verletzlichsten Weichteilen jeder Organisation. Es ist wahrscheinlich, dass die Israelis die Kommunikation auf diesen Pagern mitverfolgen konnte. Auch deshalb ist hier eine wertvolle Karte aus der Hand gegeben worden. Aber ich bin mir sicher, das war nicht das letzte Ass im Ärmel der Israelis. Ich kenne die Pläne Israels nicht. Es kann sein, dass das der Anfang von etwas Grösserem ist, ja.
Die Hisbollah ist keinesfalls zu schwach, um sofort zurückzuschlagen. Sie hat weiterhin Hunderttausende Raketen in Richtung Israel bereit.
Wie effektiv wurde die Hisbollah mit der Aktion geschwächt? Ist eine sofortige Reaktion ausgeblieben, weil sie sich zuerst wieder ordnen muss?
Kaplan: Die Hisbollah ist keinesfalls zu schwach, um sofort zurückzuschlagen. Sie hat weiterhin Hunderttausende Raketen in Richtung Israel bereit. Aber was sich hier abspielt, ist ein sehr kompliziertes Schachspiel. Da muss jeder Schritt genau abgewogen werden.
Jetzt noch eine persönliche Frage: Obwohl Sie und Ihre Familie nach einem früheren Auftritt in den Schweizer Medien an Leib und Leben bedroht worden sind, geben Sie uns weiter mit vollem Namen Auskunft. Warum nehmen Sie das auf sich?
Kaplan: Ich hoffe, dass nichts von dem, was ich gesagt habe, irgendjemanden verletzt. Aber die Schweiz ist eine Demokratie und es muss hier möglich sein, eine unabhängige Analyse abzugeben. Ich verstecke mich nicht unter dem Tisch. Und wenn es Bedrohungen gibt, erwarte ich von den Behörden, dass sie dagegen vorgehen.
Welche Rolle spielen Geheimdienste deiner Meinung nach im aktuellen Konflikt zwischen Israel und der Hamas und der Hisbollah?
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