Ukrainerinnen droht sexuelle Ausbeutung – «Geht das Geld aus, kommt die Verzweiflung – die Schlepper warten»

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Ukrainerinnen droht sexuelle Ausbeutung«Geht das Geld aus, kommt die Verzweiflung – die Schlepper warten»

Die humanitäre Lage in der Ukraine hat sich bereits nach Ausbruch des Bürgerkrieges 2014 verschlechtert. Nun wird das ganze Land von Russland angegriffen. Für die fliehende Bevölkerung drohen Gefahren, selbst wenn sie aus den umkämpften Gebieten entkommt.

Eine Geflüchtete wartet in einem Camp an der ukrainisch-slowakischen Grenze.
Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren wurden in der Ukraine zum Kriegsdienst aufgeboten. Auf der Flucht sind oft Frauen und Kinder.
Am Tag der Invasion sind bei Google Suchanfragen nach «ukrainischen Mädchen» explodiert. Ähnliches ist auf Pornoseiten zu beobachten.
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Eine Geflüchtete wartet in einem Camp an der ukrainisch-slowakischen Grenze.

AFP/Peter Lazar

Darum gehts

In den frühen Morgenstunden des 24. Februar begann die russische Armee mit einer Invasion der Ukraine an mehreren Fronten. Nachdem der Fortschritt der Angreifer zu stagnieren begann, hat das russische Militär seine Attacken verstärkt und vermehrt Zivilisten getroffen. Seit Beginn der Kampfhandlungen sind laut Daten der Vereinten Nationen (UN) über eine Million Menschen auf der Flucht. Sie versuchen, die umkämpften Gebiete, das Land zu verlassen.

Während sich europäische Länder darauf vorbereiten, Flüchtlinge aufzunehmen, wartet auf dem Weg eine weitere Gefahr: Schlepper haben sich bereits in Stellung gebracht, um die Not der Fliehenden auszunutzen. Weil die Ukraine alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren für den Kriegsdienst mobilisiert hat, sind Frauen und Kinder oft auf sich allein gestellt und es droht ihnen unter anderem sexuelle Ausbeutung.

«Es ist traurig»

Mit der Situation in den Grenzgebieten zur Ukraine vertraut ist Irene Hirzel vom Beratungs- und Schulungszentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung «ACT212». «Es ist traurig, aber leider nicht neu», sagt sie. Menschenhandel sei ein grosses Business, das von Kriegen befeuert werde. «Wenn Menschen fliehen müssen, sind sie in einer vulnerablen Situation und werden Ziel von Schleppern. Diese wollen Geld verdienen und interessieren sich nicht für die Menschen, nur für den Gewinn», so Hirzel.

Die Menschenhändler befriedigen damit eine Nachfrage. Am Tag der Invasion sind die Google-Suchen nach «Ukrainian girls» massiv angestiegen und bleiben seither hoch. Das gleiche Phänomen ist laut Hirzel auf Pornoseiten zu beobachten. Fälle von Ukrainerinnen, die in die Fänge von Menschenhändlern gerieten, seien schon nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 gemeldet worden.

«Zahlt nichts, wir helfen gratis»

«Am Anfang haben sie noch Geld. Aber wenn das weg ist, kommt die Verzweiflung», erklärt Hirzel. Auf diesen Moment würden die Schlepper warten und genau dann andere «Verdienstmöglichkeiten» vorschlagen, die in einer Ausbeutungssituation enden können. Um das zu verhindern, seien Partner von «ACT212» in Moldawien im Einsatz. «Sie tragen Schilder wo drauf steht, ‹Zahlt nichts, wir helfen gratis›», sagt Hirzel.

Die Bevölkerung helfe, wo sie könne. Die 3,6 Millionen Menschen des «ärmsten Landes von Europa» seien mit den knapp 100’000 ukrainischen Flüchtlingen aber bald überfordert. «Sie zeigen im Angesicht der Situation eine überwältigende Solidarität», betont Hirzel.

Frauen und Mädchen überproportional gefährdet

«Der Konflikt hat bereits grossen Einfluss auf die Sicherheit der zivilen Bevölkerung, vor allem von Frauen und Mädchen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind», sagt Pramila Patten. Sie ist Sondergesandte der Vereinten Nationen für sexuelle Gewalt in Konflikten. In einer Verlautbarung der UN zeigte sie sich bereits am 28. Februar besorgt über die sich «schnell verschlechternde Situation» in der Ukraine.

Die humanitäre Lage sei bereits prekär und Tausende weitere Familien könnten zur Flucht gezwungen werden, wenn der Konflikt weitergehe. Damit steige das Risiko von sexueller Gewalt und Ausbeutung, so Patten. Frauen und Mädchen seien überproportional gefährdet.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Zwangsprostitution und/oder Menschenhandel betroffen?

Hier findest du Hilfe:

ACT 212, Nationale Meldestelle gegen Menschenhandel, Tel. 0840 212 212

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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