Geht das «Lena-Wunder» weiter?

Aktualisiert

Eurovision Song ContestGeht das «Lena-Wunder» weiter?

Vor einem Jahr war Lena Meyer-Landrut noch der Liebling der deutschen Nation. Zwölf Monate später ist der überschwängliche Freudentaumel einer Ernüchterung gewichen.

von
Christian Wolf
AP

Nach ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest machten Begriffe wie «Lena Nazionale» und «neues deutsches Fräuleinwunder» die Runde. Der «Spiegel» mutmasste gar: «Lenas Gesicht ist offensichtlich auch das Gesicht eines neuen Deutschland.» Mit ihrer Unbeschwertheit diente die 19-Jährige als Projektionsfläche für eine junge, lockere und lebensbejahende Generation.

Auf ihrer ersten Tournee waren die grossen Hallen der Republik dann aber bloss zur Hälfte gefüllt. Die TV-Quoten des Vorentscheids mit drei Shows und zwölf Lena-Songs waren mittelmässig. Und ihre überdrehte, flapsige Art wirkt auf viele Beobachter nicht mehr natürlich und spontan, sondern aufgesetzt und berechnend. Als Lena im März den Echo für die erfolgreichste Newcomerin und beste deutsche Künstlerin bekam, wurde ihre Dankesrede aus dem Publikum sogar mit einem unfreundlichen «Aufhören» quittiert.

Seit 15 Monaten steht Lena Meyer-Landrut im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Die damals 18-Jährige hatte sich bei Stefan Raabs Castingshow «Unser Star für Oslo» beworben und schaffte es prompt in die Top-Ten-Sendung. Juror Marius Müller-Westernhagen zeigte sich sofort begeistert von Lena. «Du hast Star-Appeal. Die Menschen werden dich lieben», sagte er.

Am 29. Mai 2010 um 22.35 Uhr war Lena Spitze

Auch die Fernsehzuschauer mochten die quirlige Hannoveranerin. Sie wollten Lena auf der grossen europäischen Bühne für Deutschland singen sehen und entschieden sich für die damalige Abiturientin. Sie selbst kommentierte den Finalsieg im Vorentscheid auf ihre eigene Art: «Das ist verdammt derbe.»

In Norwegen angekommen entwickelte sich die von Raab ausgerufene «nationale Aufgabe» zu einem Selbstläufer. Lena eroberte im Sturm die Sympathien der anderen Teilnehmer; die Buchmacher handelten sie als Topfavoritin. Der alles entscheidende Moment kam am 29. Mai um 22.35 Uhr. In einem schlichten schwarzen Kleid und mit tiefrotem Lippenstift betrat Lena die Bühne. Ihr oftmals kritisierter Tanzstil wirkte statisch und unkoordiniert. Das mädchenhafte Lächeln in ihrem Gesicht verriet aber: Lena fühlte sich wohl und hatte Spass.

Auf dem Höhepunkt funktionierte alles

Bei den Fernsehzuschauern in ganz Europa sorgte die Deutsche für Begeisterung. Noch bevor das letzte Land seine Punkte verkündete, stand Lena als Siegerin des Song Contests fest. Mit einer Deutschlandfahne in der Hand betrat sie fassungslos die Bühne und fasste sich immer wieder ungläubig an den Kopf. «This is not real» («Das ist nicht wahr») sagte sie mit zittriger Stimme ins Mikrofon.

Auf dem Höhepunkt funktionierte dann einfach alles. Die Fans in Deutschland lagen der Grand-Prix-Gewinnerin zu Füssen. Selbst der damalige niedersächsische Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Christian Wulff liess es sich nicht nehmen, Lena am Flughafen abzuholen. In ganz Europa eroberte «Satellite» die Charts.

Lena wird Medienprofi

Lena selbst entwickelte sich zu einem Medienprofi. Auf der Couch von «Wetten, dass ..?» plauderte sie über ihr neues Leben, auf glamourösen Galas nahm sie Preise in Empfang, und als Synchronsprecherin für einen Animationsfilm schnupperte Lena sogar in die Filmbranche hinein.

Wie ein Bumerang wirkte dann aber die Ankündigung von Raab aus der Sieges-Nacht in Oslo, Lena solle als Titelverteidigerin im eigenen Land wieder antreten. Skeptisch wurden die Auftritte der 19-Jährigen im Vorentscheid beäugt, und die Kritik am Konzept der Titelverteidigung nahm zu. Unbeeindruckt davon zeigte sich die Hauptperson: «Wir machen das, weil wir dazu Bock haben», sagte Lena selbstbewusst.

Wie es mit der so rasant begonnenen Karriere der bald 20-Jährigen weitergeht, entscheidet sich am 14. Mai in Düsseldorf. Verlässt sie die Halle als alte und neue Siegerin, hat sie es den Kritikern gezeigt und alles richtig gemacht. Fällt Lena beim Publikum aber durch und verliert deutlich, haben es alle schon immer gewusst. Der Zauber von Oslo ist dann unwiederbringlich verflogen.

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