Gemässigter AlkoholkonsumÄrztin warnt Frauen – «Sechsmal höheres Risiko für Leberzirrhose»
Zwei Gläschen Wein, im Ausgang ein paar Shots? Für Frauen kann das gefährlich werden – gefährlicher als für Männer. Davor warnen Mediziner und Experten – und erklären, weshalb das so ist.
Darum gehts
Bioethikerin und Medizinerin Samia Hurst-Majno warnt auf Tiktok vor den erhöhten Risiken von Alkoholkonsum bei Frauen.
Sie sagt, dass Frauen ein sechsmal höheres Risiko haben, an einer Leberzirrhose zu erkranken – auch bei gemässigtem Konsum.
Vielen Frauen scheinen sich der Tatsache, dass Alkohol für sie schädlicher ist, als für Männer, nicht bewusst zu sein.
Auch «Sucht Schweiz» und das Bundesamt für Gesundheit machen darauf aufmerksam – die empfohlenen Höchstmengen unterscheiden sich zwischen Frau und Mann.
Nicht nur die Leber ist gefährdet – mit dem Alkoholkonsum steige auch das Risiko für Brustkrebs bei Frauen.
«Wenn du eine Frau bist und Alkohol trinkst, dann ist dieses Video für dich», sagt die Schweizer Ärztin und Bioethikerin Samia Hurst-Majno in einem Tiktok-Video. Der Clip lässt aufhorchen – binnen vier Tagen wird das Video fast zwei Millionen Mal angeschaut.
Die Warnung von Hurst-Majno: Viele Frauen seien sich nicht bewusst, wie viel gefährlicher Alkohol für sie im Vergleich zu Männern sei.
«Komplett unfair»
Der Grund dafür liege beim unterschiedlichen Alkoholstoffwechsel zwischen Frauen und Männern. «Wenn eine Frau die gleiche Menge an Alkohol trinkt wie ein Mann, auch auf ihr Körpergewicht heruntergerechnet, ist es so, als hätte die Frau mehr konsumiert», sagt Hurst-Majno. «Frauen haben ein sechsmal höheres Risiko, an Leberzirrhose zu erkranken», betont die Medizinerin. «Komplett unfair, ich weiss», schiebt sie hinterher.
Höherer Fettanteil und fehlende Enzyme
Dass die gleiche Menge Alkohol für Frauen schädlicher ist als für Männer, liege einerseits daran, dass Frauen im Verhältnis zum Körpergewicht durchschnittlich mehr Körperfett und weniger Körperwasser haben, wie Monique Portner-Helfer von «Sucht Schweiz» erklärt.
Da sich Alkohol in Wasser besser löst als in Fett, ist nach dem Konsum gleicher Mengen die Alkoholkonzentration im Blut bei Frauen in der Regel höher. Der zweite Grund sei, dass Frauen über geringere Mengen des alkoholabbauenden Enzyms ADH verfügen, so Portner-Helfer.
So wirkt sich Alkohol auf die Leber aus
Beim Abbau von Alkohol in der Leber werden Zellen geschädigt und es sammelt sich Fett an, sagt Monique Portner-Helfer von «Sucht Schweiz». Dies könne mit der Zeit zu einer Fettleber führen, später zu Gelbsucht, Leberzirrhose und Leberkrebs. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass alkoholfreie Tage das Risiko insbesondere für Leberkrankheiten senken, so Portner-Helfer.
Die Leberzirrhose, auch Leberschrumpfung genannt, ist eine Vernarbung der Leber. Das normale Lebergewebe wird dabei zerstört und durch funktionsuntüchtiges Bindegewebe ersetzt. Die Leber kann so ihre lebenswichtigen Aufgaben nicht mehr vollständig oder gar nicht mehr erfüllen – also Fett verdauen, Energie speichern und entgiften. Eine beginnende Leberzirrhose kann verschiedene Beschwerden wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Gewichtsabnahme verursachen. Erkrankte, bei denen die Leberzirrhose im Anfangsstadium entdeckt wird, können im Schnitt relativ lange weiterleben – knapp zwei Drittel der Erkrankten, bei denen die Zirrhose in einem weit fortgeschrittenen Stadium ist, sterben innerhalb von einem Jahr.
Überraschte und schockierte Reaktionen
Hurst-Majno erzählt: «Unsere Kollegen berichten von Frauen, die so schwerwiegende Folgen von Alkohol auf ihre Leber haben, dass sie manchmal auf Transplantationslisten gesetzt werden – dabei haben sie einfach nur die gleiche Menge in geselliger Runde getrunken wie ihre Ehemänner.»
Wie wenig sich Frauen dem Risiko bewusst sind, zeigt sich auch in den Kommentaren. Viele reagieren schockiert, einige schreiben gar, dass sie nun den Alkohol gänzlich aufgeben wollen. «Viele drücken auch ihre Dankbarkeit über die Information aus», erzählt Hurst-Majno gegenüber 20 Minuten. Auch häufen sich Kommentare, in denen Frauen sich über einen zusätzlichen Nachteil des Frauseins abgekämpft zeigen.

Auch Brustkrebsrisiko steigt
Neuere Daten zeigten, dass Alkohol auch krebserregend ist und der Verzicht eine der wirksamsten Massnahmen sei, die Frauen zur Vorbeugung von Brustkrebs ergreifen könnten, so Hurst-Majno. Eine Sprecherin des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ergänzt, dass Brustkrebs als Risiko bei beiden Geschlechtern noch am wenigsten bekannt sei. Und auch sie bestätigt das grössere Risiko des Alkoholkonsums bei Frauen. Deshalb würden auch unterschiedliche Höchstmengen empfohlen.
Soll man gar nicht mehr trinken?
Wie sieht es bei Hurst-Majno selbst aus? «Ich trinke weniger als die empfohlenen vier Einheiten pro Woche. Ich bin mit einem Leberchirurgen verheiratet – er hat mir die Risiken noch bewusster gemacht, als ich sie in meiner ursprünglichen Ausbildung als Internistin (Anm. d. Red.: Fachärztin für innere Medizin) gelernt hatte», sagt sie. «Vielleicht höre ich aber auch ganz auf.»
Mitte-Nationalrat und Bierbrauer Alois Gmür sieht die ganze Sache etwas gelassener – die Dosis mache das Gift aus. «Die Leute wissen über die Auswirkungen Bescheid, damit kann jeder und jede selbst entscheiden, was einem gut tut und nicht gut tut», sagt er. Man könne nicht alles über eine Leiste schlagen und er finde es daneben, dass man dafür Empfehlungen rausgebe. «Andere Studien belegen gar, dass Bier bis zu gewissen Mengen gesund ist – gut fürs Herz und die Entspannung», so Gmür.
Wie oft trinkst du Alkohol?
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Probleme mit Alkohol?
Hier findest du Hilfe:
Blaues Kreuz Schweiz, Beratungsstellen
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Anonyme Alkoholiker, Tel. 0848 848 885
Feel-ok, Informationen für Jugendliche
My Drink Control, Selbsttest
Vergiftungsnotfälle, Tel. 145
ada-zh, Anlaufstelle Angehörige Sucht
Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen
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