Strafgericht BS - Gericht spricht Autofahrer sechs Jahre nach tödlichem Unfall mit Velo frei

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Strafgericht BSGericht spricht Autofahrer sechs Jahre nach tödlichem Unfall mit Velo frei

Am Donnerstag musste sich ein 37-jähriger Mann vor dem Strafgericht verantworten. Er war 2015 mit seinem Auto in einen Unfall verwickelt, bei dem ein 60-jähriger Velofahrer sein Leben verlor.

Am Donnerstag musste sich ein 37-jähriger Autofahrer vor dem Basler Strafgericht verantworten.
Er war im Mai 2015 mit seinem Auto auf der Sierenzerstrasse unterwegs, als er an der Kreuzung einen 60-jährigen Velofahrer zu spät bemerkte, mit ihm kollidierte und diesen tödlich verletzte.
Der Beschuldigte könne sich nicht mehr an den genauen Unfallhergang erinnern. Den Velofahrer habe er nicht kommen sehen.
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Am Donnerstag musste sich ein 37-jähriger Autofahrer vor dem Basler Strafgericht verantworten.

20min/Steve Last

Darum gehts

  • Am Donnerstag stand ein 37-jähriger Autofahrer vor dem Strafgericht.

  • Er musste sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten, da er im Mai 2015 bei einem Unfall einen Velofahrer tödlich verletzte.

  • Das Strafgericht sprach ihn frei.

Ein heute 37-jähriger Mann musste sich am Donnerstag vor dem Basler Strafgericht verantworten. Er war im Mai 2015 mit seinem Auto auf der Sierenzerstrasse unterwegs, als er an der Kreuzung einen 60-jährigen Velofahrer zu spät bemerkte, der ihm von links den Vortritt nahm. Es kam zur Kollision und der Velofahrer erlag noch am Unfallort seinen Verletzungen. Der Beschuldigte wurde von der Anklage der fahrlässigen Tötung kostenlos freigesprochen.

Die Basler Staatsanwaltschaft hatte damals die Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung eingestellt. Die Witwe des getöteten Velofahrers und dessen Tochter hatten daraufhin beim Bundesgericht erwirkt, dass das Verfahren weitergeführt wird. Darum kam es erst sechs Jahre später zur Hauptverhandlung.

«Frage mich täglich, wie das nur passieren konnte»

Der Beschuldigte sagte, er glaube nicht, dass er bei der Fahrt abgelenkt war. An den genauen Unfallhergang könne er sich nicht mehr genau erinnern. «Ich fuhr meine schwangere Frau zum Arzt. Bei der Kreuzung war mein Hauptfokus auf der rechten Seite», so der Mann. Er wisse noch, dass er seinen Fuss auf der Bremse hatte, denn er mache es immer so. «Ich sah an der Kreuzung nichts von rechts kommen, also fuhr ich weiter», sagte er. Den Velofahrer von links habe er nicht kommen sehen.

«Der Zusammenstoss kam unerwartet. Es war ein Schock», sagte der 37-Jährige. Er könne sich nur noch an die Kollision erinnern, aber nicht mehr, dass er den 60-Jährigen überrollte. Er könne sich auch nicht erklären, warum er nach dem Zusammenprall nicht sofort anhielt. Es müsse der Schock gewesen sein. «Ich frage mich täglich, wie das nur passieren konnte», so der Mann.

«Ungebremst über die Kreuzung» oder «unvermeidbare Kollision»?

Laut Daniel Tschopp, welcher die Privatkläger, die Witwe des Velofahrers und dessen Tochter, vertrat, habe der Autofahrer nicht gebremst. «Er fuhr ungebremst über die Kreuzung, dies können Zeugen bestätigen», so Tschopp. Er hätte langsamer fahren müssen, da jederzeit ein Kind oder eine andere Person die Strasse hätten überqueren können. «Ein Verschulden des 60-Jährigen ist nicht rechtlich beweisbar», sagte Tschopp. Er forderte, dass die Versicherung des Beschuldigten die gesamten Unfallskosten übernehmen soll. Ebenso solle er der Familie des Velofahrers Schadenersatz sowie Genugtuung bezahlen.

«Der Velofahrer hat seine Fahrgeschwindigkeit nicht an die schlechten Sichtverhältnisse angepasst», sagte Carlo Bertossa, Verteidiger des Autofahrers. Der Beschuldigte habe Rechtsvortritt gehabt und nicht damit gerechnet, dass ihm den jemand nimmt. «Ein Autofahrer muss keinen Sicherheitshalt einlegen, wenn er den Vortritt hat», so Bertossa. «Man wird nie genau wissen, was passiert ist, und wir müssen das akzeptieren», sagte er. Der Verteidiger forderte einen vollumfänglichen und kostenlosen Freispruch des Beschuldigten. Die Zivilforderung sei abzuweisen.

Zusammenstoss war unerwartet

Das Forensische Institut Zürich rekonstruierte den möglichen Unfallhergang mittels Dokumenten der Kantonspolizei Basel-Stadt. Anhand von Spuren und Zeugenaussagen wurde die mögliche Fahrgeschwindigkeit eingegrenzt. Am plausibelsten erschienen 30 km/h für das vortrittsberechtigte Auto und 15 km/h für das Velo. An der Sierenzerstrasse habe zu diesem Zeitpunkt auf der linken Strassenseite ein Auto parkiert und somit die Sicht des Autofahrers nach links – und auch die des Velofahrers nach rechts – erschwert. Ein Zusammenprall der beiden hätte nicht verhindert werden können.

«Der Beschuldigte orientierte sich am Rechtsvortritt»

Das Strafgericht befand den Unfall als ein «Ereignis, welches einen traurigen und einschneidenden Effekt» gegenüber allen Beteiligten hatte. Laut Gerichtspräsidentin Susanne Nese war die Sicht an der Kreuzung für den Autofahrer nach links eingeschränkt. «Die Sicht nach rechts war frei und erlaubte einen guten Blick auf die Rufacherstrasse», sagte Nese. Deshalb habe der Beschuldigte in normaler, angepasster Geschwindigkeit weiterfahren können, da er sich am Rechtsvortritt orientierte.

Ebenfalls gebe es keine Hinweise, dass er während der Fahrt abgelenkt war. «Der Sturz des 60-jährigen Velofahrers und das darauffolgende Überrollen hätten nicht verhindert werden können», begründete die Gerichtspräsidentin das Urteil. Genugtuung und Schadenersatz wurden auf den Zivilweg verwiesen.

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