BankgeheimnisGericht stoppt Herausgabe der UBS-Daten
Eine weitere Klatsche für den Bundesrat: Das Bundesverwaltungsgericht urteilt in einem Pilotprozess, dass die Herausgabe von UBS-Kontodaten im Rahmen der Amtshilfe illegal ist. Der Bundesrat schweigt zu dem Urteil.
Unerwartet rasch entschied das Bundesverwaltungsgericht über die erste Beschwerde einer UBS-Kundin gegen eine der mehreren hundert Amtshilfeverfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) im Fall UBS. Die Beschwerde wurde gutgeheissen, weil im konkreten Fall kein «Betrug und dergleichen» vorliegt, der gemäss dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und den USA von 1996 die Aufhebung des Bankgeheimnisses ermöglicht. Das Urteil ist abschliessend und kann nicht mehr angefochten werden. Das Gericht wird laut einem gleichzeitig veröffentlichten Schreiben demnächst die ESTV einladen, 25 gleich gelagerte Amtshilfeverfahren, die beim Bundesverwaltungsgericht hängig sind, in Wiedererwägung zu ziehen und neu zu entscheiden.
In dem 52-seitigen Urteil befasst sich das Gericht zunächst ausführlich mit der Rechtsnatur des Abkommens, dass die Schweiz und die USA am vergangenen 19. August nach zähem Ringen zur Beilegung der US-Zivilklage gegen die UBS abgeschlossen hatten und das die Offenlegung von rund 4450 Kundendaten innerhalb eines Jahres vorsah. Die Richter kamen zum Schluss, es handle sich um eine so genannte generelle Verständigungsvereinbarung, die das DBA von 1996 weder ändern noch ergänzen könne. Die zwischen den beiden Staaten vereinbarten Kategorien von mutmasslichen Steuerbetrügern können demnach nur zur Gewährung von Amtshilfe führen, wenn das geschilderte Verhalten durch das Doppelbesteuerungsabkommen selbst abgedeckt ist.
Das Formular W-9
Im konkreten Fall hatte es die UBS-Kundin unterlassen, ein so genanntes Formular W-9 bei der US-Steuerbehörde einzureichen. Dies allein stellt zusammen mit einem hohen Betrag an hinterzogenen Steuern laut dem Urteil aber noch kein betrügerisches Verhalten im Sinne des DBA dar. Ein blosses Verschweigen ohne jegliche Zusatzhandlung genüge nicht. Ebenso wenig kann laut dem Gericht aus einer blossen Steuerhinterziehung, auch wenn sie wiederholt begangen wird und hohe Beträge betrifft, auf ein betrügerisches Verhalten im Sinne des DBA geschlossen werden.
Offen blieb zunächst, was das Urteil für den gesamten Deal zwischen der Schweiz und den USA über die Beilegung der Zivilklage gegen die UBS bedeutet. Vom Bundesrat und von den USA lagen vorerst keine Stellungnahmen vor. Die Parteien SVP und SP machten weiteren Klärungsbedarf aus und sahen sich in der Forderung nach Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) bestärkt. Die FDP interpretierte das Urteil als Stärkung des Rechtsstaats und des Bankgeheimnisses. Die UBS-Aktie war schon vor der Veröffentlichung des Urteils unter Druck geraten und notierte am späten Nachmittag kanpp fünf Prozent im Minus.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Vorgehen der Schweizer Behörden im Fall UBS bereits am vergangenen 5. Januar scharf gerügt. Demnach war die Verfügung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma zur Herausgabe von 255 Kundendossiers an die US-Justiz vom 18. Februar 2009 rechtswidrig. Die Finma hat dieses Urteil inzwischen ans Bundesgericht weitergezogen.
(dapd)
Bundesrat kommentiert das Urteil vorerst nicht
Der Bundesrat hat am Freitag die neuerliche Rüge des Bundesverwaltungsgerichts nicht kommentiert. Durch seinen Sprecher André Simonazzi liess der Bundesrat lediglich verlauten, er nehme das Urteil zur Kenntnis.
«Der Bundesrat hat sich bei der Genehmigung des UBS-Abkommens auf verschiedene Expertengutachten gestützt», sagte Simonazzi weiter. Und: «Der Bundesrat wird am kommenden Mittwoch aufgrund einer ersten Analyse des Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) das weitere Vorgehen besprechen.» Für das Dossier ist der Gesamtbundesrat zuständig, doch hat das EJPD die Federführung. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf wollte sich aber am Freitag nicht dazu äussern.
Auch Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Bundespräsidentin Doris Leuthard wollten keinen Kommentar abgeben, wie ihre Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur SDA sagten. Dagegen stellte das Bundesamt für Justiz noch für Freitagnachmittag eine Stellungnahme in Aussicht.
Reaktion nach ein paar Tagen
Auch beim letzten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatte der Bundesrat erst ein paar Tage später Stellung genommen. Das Urteil betraf die Herausgabe der ersten 250 UBS-Kundendaten an die USA.
Das Gericht kam zum Schluss, dass die Finanzmarktaufsicht FINMA, welche die Herausgabe angeordnet hatte, kein Recht dazu hatte. Nur der Bundesrat hätte die Herausgabe anordnen können, gestützt auf Notrecht.
Der Bundesrat betonte damals in seiner Stellungnahme, das Gericht habe nicht die in einer Notlage erfolgte Herausgabe der Daten in Frage gestellt, nur die gewählte rechtliche Grundlage. (sda)