SchweizGeschlossene Praxen und kein Personal – neue Regel verschärft Ärztemangel
Wegen der neuen Bundesregel machen sich Ärzte und Ärztinnen in der Schweiz Sorgen. Sie befürchten, dass die Versorgung zukünftig nicht mehr gewährleistet sei.
Darum gehts
Der Bund hat die Zulassung ausländischer Hausärzte erschwert. «Die Voraussetzungen wurden derart drastisch verschärft, dass es unmöglich ist, geeignetes Personal zu finden. Es müssen Patienten abgewiesen, die Öffnungszeiten verkürzt und Praxen geschlossen werden. So fahren wir unser Gesundheitssystem an die Wand», kritisiert Christoph Zeller, Geschäftsführer der Praxis am Bahnhof in Bäch SZ.
Erst kürzlich habe er eine Fachärztin aus dem Kanton Aargau anstellen wollen, die dort seit 15 Jahren eine eigene Praxis geführt hatte. «Weil sie die neuen Zulassungsbedingungen nicht erfüllte, erhielt sie in Schwyz keine Bewilligung der Gesundheitsdirektion», so Zeller. Die neue Regel komme in solchen Fällen einem Berufsverbot gleich. Ein enormes Fachwissen bleibe so komplett ungenutzt. Die Konsequenz des Personalmangels: «Wir schicken täglich rund zwanzig Personen direkt ins Spital, weil wir keine Zeit haben, sie zu behandeln.»
Seit dem 1. Januar 2022 dürfen nur noch Ärzte und Ärztinnen angestellt werden, die mindestens drei Jahre im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben. Die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich AGZ unterstützt grundsätzlich die geltenden Zulassungsbedingungen. Präsident Josef Widler sagt aber auch: «Es darf dadurch keine Unterversorgung entstehen oder verstärkt werden.» Eine solche gebe es bereits bei den Grundversorgern. So seien sehr viele Haus- und Kinderarztpraxen am Anschlag und könnten keine neuen Patienten aufnehmen.
Auch die Aerztegesellschaft des Kantons Bern ist mit der Situation bestens vertraut: «In der Berner Workforcestudie 2020-2025 gaben nur 40 Prozent der antwortenden Ärztinnen und Ärzten an, noch uneingeschränkt neue Patientinnen und Patienten aufzunehmen», sagt der stellvertretende Mediensprecher Markus Gubler. Zudem müssten immer wieder Grundversorgerpraxen schliessen, weil kein ärztlicher Ersatz gefunden werden konnte. Am ausgeprägtesten sei der Fachkräftemangel in peripheren Regionen.
«Forderung hat im Parlament kein Gehör gefunden»
Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK hat die Zulassungsvorlage grundsätzlich unterstützt, jedoch in ihren «Stellungnahmen mehrfach und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Unterversorgung Ausnahmen möglich sein müssen», wie Sprecher Tobias Bär sagt. Leider habe diese Forderung im Parlament kein Gehör gefunden. Inzwischen zeigten sich regional oder in einzelnen Bereichen die problematischen Auswirkungen einer fehlenden Ausnahmeregelung: «Sie stellen die Kantone vor Probleme und können die Gewährleistung einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung gefährden.»
Auch wenn der Grundsatz der gezielten Zulassungsbeschränkung unbestritten bleibe, müsse die Problematik der ärztlichen Unterversorgung, gerade auch im Bereich der ambulanten Grundversorgung, rasch angegangen werden. «Sie betrifft alle Landesteile. Es kann nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, mit der neuen Zulassungsteuerung eine Unterversorgung in Kauf zu nehmen. Das Gesetz sollte so angepasst werden, dass bei einer nachgewiesenen massiven Unterversorgung Ausnahmen möglich sind», so Bär.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit BAG ist die Sicherstellung der Versorgung grundsätzlich Sache der Kantone beziehungsweise der Leistungserbringer, soweit die Kantone dies delegiert haben. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates habe zwischenzeitlich aber eine parlamentarische Initiative lanciert, die bei einer Unterversorgung Ausnahmen von dieser Regelung ermöglichen soll. Ärztinnen und Ärzte sollen dabei von der Anforderung, während drei Jahren an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet zu haben, ausgenommen werden. Unter anderem die AGZ hat alle Zürcher National- und Ständeräte angeschrieben, die parlamentarische Initiative zu unterstützen.
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