Krankenkasse: Steigen die Prämien immer weiter? Die CSS-Chefin im Interview

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KrankenkasseSteigen die Prämien jetzt immer weiter? Die CSS-Chefin im Interview

Eine Gesundheitsstudie zeigt, dass sich die Schweizer Bevölkerung immer kränker fühlt. CSS-Chefin Philomena Colatrella erklärt, weshalb das so ist und wie es mit der Krankenkasse weitergehen soll.

Eine neue Gesundheitsstudie der CSS zeigt: Die Menschen in der Schweiz fühlen sich immer kränker. CEO Philomena Colatrella schätzt ein.
«Kaum war die Pandemie durch, brach der Ukraine-Krieg aus. Dann kam die Inflation. Das schlägt auf die physische und psychische Gesundheit», so Colatrella.
Sorgen bereitet auch die Inflation und insbesondere die hohen Krankenkassenprämien. «Auch wenn die Prämien steigen: Der Anstieg soll so gering wie möglich ausfallen. Wir als Krankenversicherer müssen auch mit unseren internen Kosten haushälterisch umgehen», sagt die CSS-Chefin.
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Eine neue Gesundheitsstudie der CSS zeigt: Die Menschen in der Schweiz fühlen sich immer kränker. CEO Philomena Colatrella schätzt ein.

20min/Michael Scherrer

Darum gehts

  • Der Schweiz geht es gesundheitlich schlecht.

  • Das zeigt eine neue Gesundheitsstudie der CSS.

  • CSS-Chefin Philomena Colatrella erklärt, dass die Inflation und der Ukraine-Krieg grosse Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben.

  • Doch nicht nur in der Schweiz gehe es Menschen nicht gut – die Leute fühlten sich weltweit kränker.

Frau Colatrella, wann waren Sie das letzte Mal krank?

Zu Beginn der Pandemie, Anfang März 2020 steckte ich mich mit dem Coronavirus an.

Dann sind Sie seit über drei Jahren nicht mehr krank gewesen – was ist Ihr Geheimnis?

Einerseits ist es meine Lebenseinstellung, ich bin ein positiver und zuversichtlicher Mensch. Ich habe einen sehr stressigen Job. Man braucht eine Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor – viel Lachen ist wichtig. Zudem mache ich Sport, gehe gern an Konzerte und lese viel.

Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich immer kränker. Wieso?

Kaum war die Pandemie durch, brach der Ukraine-Krieg aus. Dann kam die Inflation. Das schlägt auf die physische und psychische Gesundheit. Wir sehen aber auch, dass sich das Verhalten der Patientinnen und Patienten verändert hat – man ist vorsichtiger und lässt im Zweifel lieber etwas abklären.

Die Inflation beeinträchtigt die physische Gesundheit der Menschen?

Man macht sich Sorgen, das schlägt auch auf die körperliche Gesundheit. Die Inflation belastet vor allem Familien und den Mittelstand. Hier tragen auch Arbeitgeber eine Verantwortung für ihre Mitarbeitenden.

Inwiefern?

Bei der CSS haben wir Gesundheitsangebote, die allen zur Verfügung stehen. Sei das Yoga, Lauftraining oder Achtsamkeitstraining.

Sorgen bereiten aber die finanziellen Probleme – hier hilft ein Lauftraining herzlich wenig. Die Löhne haben sich nicht der Inflation angepasst.

Diese Entscheidung muss jeder Arbeitgeber selbst treffen. In der CSS haben wir Massnahmen umgesetzt, um die Konsequenzen der Inflation abzufedern.

Trotzdem: Die Krankenkassen-Rechnung, die jeden Monat ins Haus flattert, macht immer mehr Menschen Mühe.

Für mich als CEO ist es wichtig und war es von Anfang an das Ziel, eine Prämie anbieten zu können, die unter dem Schweizer Durchschnitt liegt. Auch wenn die Prämien steigen: Der Anstieg soll so gering wie möglich ausfallen. Wir als Krankenversicherer müssen auch mit unseren internen Kosten haushälterisch umgehen. Wir haben aber nicht nur ein Finanzierungsproblem, wir müssen auch auf der Kostenseite ein paar Hausaufgaben lösen.

Sprich: Die Menschen gehen zu häufig zum Arzt?

Die Leute fühlen sich weltweit kränker. Das ist wohl ein post-pandemisches Phänomen. Die Frage ist, nehmen diese Menschen, die sich krank fühlen, das System auch in Anspruch? Es ist ein subjektives Gefühl, dass man sich kränker fühlt. Die Diskussion um die Finanzierung und die Kosten muss man führen – gleichzeitig ist die soziale Krankenversicherung eine Institution, auf die man achtgeben muss.

Was befürchten Sie?

Wir müssen aufpassen, dass wir in unserem System, das alles in allem gut funktioniert, das solidarisch ist, aber in dem auch die Eigenverantwortung durchaus eine Rolle hat, nicht amerikanische Verhältnisse schaffen. Dort können sich viele Menschen Gesundheit nicht mehr leisten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen Zugang zu einem bezahlbaren Gesundheitssystem haben. Nicht das Obligatorium ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie die Leistungen im Gesundheitssystem erbracht werden.

Zwei Drittel der Bevölkerung fühlen sich müde und erschöpft, 40 Prozent begründen dies mit Stress. Arbeiten wir zu viel?

Ich glaube nicht, dass man das so allgemein sagen kann. Unsere Arbeitsmoral ist unser Erfolgsrezept. Die Schweiz hat aber grosse Fortschritte in Sachen Arbeitszeitmodelle gemacht. Bei der CSS arbeiten 64 Prozent der Arbeitnehmenden Teilzeit. Dazu kommt die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.

Nach der Arbeit nicht abschalten können, leidendes Sozialleben und schlechter Schlaf: Kann die Schweiz keine Work-Life-Balance?

Ich glaube, schlechter Schlaf ist kein spezifisches Problem der Schweiz, sondern ein weltweites Phänomen. Mit dem Begriff der «Work-Life-Balance» kann ich nicht viel anfangen. Wir haben ein Leben und in diesem müssen wir versuchen, die Ressourcen gut einzuteilen. Ich mache das auch nicht immer vorbildlich. Als Arbeitgeber ist es aber wichtig, dass wir das thematisieren. Wenn ich etwa am Sonntag Mails verschicke, vermerke ich darauf, dass ich keine Antwort erwarte. Die Wertschätzung und der Umgang mit den Mitarbeitenden sind entscheidend. Sie müssen einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Das spornt zu Engagement an. 

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