Manifest soll Kostenexplosion im Gesundheitswesen stoppen

Publiziert

Kostenexplosion«Eine Million Lohn hat nichts mit Leistung, sondern mit Gier zu tun»

Um die fortschreitende Explosion der Gesundheitskosten zu stoppen, haben Fachleute ein Manifest veröffentlicht –  mit teils radikalen Forderungen.

Die Gesundheitskosten laufen immer mehr aus dem Ruder.
Dies hängt auch damit zusammen, dass teils unnötige Behandlungen durchgeführt werden.
Die Forderungen beinhalten auch eine Senkung des Administrativaufwands zugunsten der Zeit für Patienten.
1 / 4

Die Gesundheitskosten laufen immer mehr aus dem Ruder.

Tamedia/ Raisa Durandi

Darum gehts

  • Namhafte Fachleute aus dem Gesundheitswesen fordern harte Einschnitte, um die Kosten im Gesundheitswesen zu bremsen.

  • Zentrale Punkte sind etwa Lohnbremsen für Ärzte, Abbau von Bürokratie und ein Anstands-Leitfaden, der Exzesse verhindert.

  • Zudem sollen Personen, die nach dem Medizinstudium nicht mit Patienten arbeiten, ihre Studienkosten zurückzahlen müssen.

Jedes Jahr steigen die Krankenkassenprämien. Spitäler häufen Schulden an, es fehlt an Hausärzten und Medikamenten und immer wieder werden Lohnexzesse von Spitzenmedizinern und Krankenkassenmanagern bekannt.

Um Ansätze zu zeigen, mit denen die aktuelle Krise des Gesundheitswesens bekämpft werden könnte, hat eine Gruppe von Chefärztinnen und -ärzten, Klinikleitern, Spitaldirektoren und Pflegedienstleiterinnen, die als «Akademie Menschenmedizin» auftreten, nun ein Manifest mit insgesamt 13 teils radikalen Forderungen zusammengestellt, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. «Jeder kann heute das System ausnutzen: Patient, Ärztin, Spital oder Krankenkasse», sagt dazu Präsidentin Annina Hess-Cabalzar, die früher im Leitungsteam des Spitals Affoltern am Albis sass. Alle seien aufgerufen, «ihr Handeln zu überdenken und zu ändern.» Und das sind die wichtigsten Forderungen:

Berufsaussteiger müssten zahlen

Wer nach der Ausbildung nicht in der Versorgung, also mit Patienten arbeitet – insbesondere Ärztinnen und Ärzte – soll die Kosten seines Studiums zurückzahlen müssen. «Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft Mediziner teuer ausbildet und diese dann dem Patientenbett den Rücken kehren, obwohl die Gelder mit der Patientenversorgung gerechtfertigt werden», sagt Hess-Cabalzar. Denn Bund und Kantone lassen sich die Ausbildung der rund 1200 Mediziner jährlich satte 1,78 Milliarden Franken kosten. Und etwa jeder dritte von ihnen kehre dem Beruf den Rücken.

Abbau von Bürokratie

Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass der administrative Aufwand immer stärker anwächst: Assistenzärzte verbrächten oft weit mehr als die Hälfte der Arbeitszeit vor dem Computer, wird Hess-Cabalzar im «Tagi» zitiert. Sie fordert unter anderem ein elektronisches Patentdossier, das den Behandelnden mehr Zeit für die Patienten gewähren würde.

Lohnexzesse verhindern

Weiterhin forderte die Akademie Fixlöhne für Kaderärztinnen und -ärzte die Abschaffung von Bonuszahlungen, die auf der Anzahl behandelter Patienten fussen. «Manchen Medizinern ist der Anstand verloren gegangen», sagt Hess-Cabalzar. Löhne von einer halben bis über einer Million Franken seien auch in öffentlichen Spitälern gang und gäbe. «Das hat nichts mehr mit Leistung zu tun, sondern mit Gier.» Das Salär soll auf dem eines Bundesrats gedeckelt werden, also gut 470'000 Franken im Jahr. Zudem seien auch die Löhne von Krankenkassenmanagern zu hoch: Alle Chefinnen und Chefs der zehn grössten Kassen verdienen mehr als diese Summe.

Weg mit den Fallkostenpauschalen

Weiterhin wird die Forderung erhoben, das System der Fallkostenpauschalen abzuschaffen. «Dieses kommerzielle System belohnt Aktivitäten, und das wiederum führt zu einem Überangebot», sagt Hess-Cabalzar. Und sie sagt: «Manchmal wären eine konservative Behandlung oder gar keine passender.» So soll es künftig nur noch einfache Pauschalen in den Abstufungen leicht, mittel und schwer geben.

Anstandsregeln gegen Selbstbedienungsmentalität

Last but not least fordern die Expertinnen und Experten einen Code of Conduct, also feste Benimmreglen für Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Denn: «Wer einen Markt mit Wettbewerb installiert, muss sich nicht wundern, wenn jeder für sich das meiste herausholt», sagt Hess-Cabalzar. Mit Hilfe des Code of Conduct soll «unanständiges Handeln», also unter anderem Abzocke mit Patienten, künftig geahndet werden können.

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt

512 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen