Gibts Lohn, wenn ich jetzt in einem neuen Quarantäne-Land bin?

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BAG-ListeGibts Lohn, wenn ich jetzt in einem neuen Quarantäne-Land bin?

Viele Reisende machen Ferien in einem Land, das seit Donnerstag auf der Risikoliste ist. Das gilt bei der Lohnfortzahlung nach Rückkehr in die Schweiz.

42 Risikoländer sind auf der Liste des BAG.
Da seit Donnerstag 15 neue Länder dazugekommen sind, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf Reisende, die zuvor abgereist sind.
Sie erhalten wohl ihren Lohn nach der Rückkehr, weil zum Zeitpunkt ihrer Abreise das Land noch nicht als Risikogebiet galt.
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42 Risikoländer sind auf der Liste des BAG.

Keystone

Darum gehts

  • Wer ab dem 23. Juli aus einem der 15 neuen Risikoländer einreist, muss in Quarantäne.
  • Das BAG hat die Liste am Mittwoch vorgestellt.
  • Viele Reisende waren schon vor der Aktualisierung der Liste in diese Länder gereist, ohne mit einer Quarantäne zu rechnen.
  • Der Lohnanspruch gelte wohl in diesem Fall, sagt ein Experte.
  • Anders ist es, wenn man erst jetzt in die betreffenden Länder abreist.

Mexiko, Luxemburg oder Bosnien-Herzegowina: Wer ab dem 23. Juli aus diesen Ländern in die Schweiz einreist, muss sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. Die Liste, die 42 Länder umfasst, hat das BAG am Mittwoch aktualisiert. «Heikel wird es nun bei Personen, die vor dieser Reisewarnung ins Land abgereist sind», sagte FDP-Nationalrat Matthias Jauslin. Es stelle sich die Frage der Lohnfortzahlung.

Geld erhält, wer unverschuldet nicht arbeiten kann

Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, betont, dass eine eindeutige Antwort zur Frage nach Lohnfortzahlung im Corona-Kontext sich weder aus dem Gesetz noch der Rechtssprechung entnehmen lasse. «Es stellt sich die Frage, ob eine unverschuldete Arbeitsverhinderung im Sinn von Art. 324a OR vorliegt wie bei Krankheit, Unfall oder Militärdienst, sodass ein Lohnfortzahlungsanspruch besteht.» Damit werde der Verschuldensbegriff zur Schlüsselfrage, sagt er zu 20 Minuten.

«Wenn jemand sehenden Auges in ein gelistetes Land reist, dann muss man von einem Verschulden ausgehen, das heisst die Person nimmt mindestens in Kauf, dass sie nach der Rückkehr eine gewisse Zeit nicht wird arbeiten können.» In diesem Fall gebe es keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Anders lägen die Dinge, wenn jemand bei der Abreise nicht damit habe rechnen müssen, dass ihn die Quarantäne ereilen werde – etwa bei einer Person, die sich zum Zeitpunkt der Erweiterung der Liste in den Ferien in Bosnien befand. «Daher würde ich in diesen Fällen ein Verschulden verneinen, was zum Lohnfortzahlungsanspruch führt.»

Spezialfall Homeoffice

Ein Spezialfall ist laut Rudolph, wenn die Arbeit während der Quarantäne im Homeoffice erledigt werden kann. «Dann liegt gar kein Fall von Arbeitsverhinderung vor und Lohn ist natürlich geschuldet.»

Auch das Bundesamt für Gesundheit hält in einem Ratgeber fest: «Arbeitnehmende, die in Gebiete gereist sind, die zum Zeitpunkt der Abreise risikoarm waren, trifft a priori keine Schuld.» Da es sich um eine Pandemie handle, die die ganze Welt, einschliesslich der Schweiz, betreffe, seien andere Regionen der Welt nicht von vornherein risikoreicher als verschiedene Orte in der Schweiz. «Solche Fälle müssen gegebenenfalls von den Gerichten geprüft werden.»

Zweifel an Regelung

Stefan Kuster, Corona-Beauftragter des Bundes, erklärte am Point de Presse am Mittwoch, dass die Verordnung auch rückwirkend 14 Tage gelte. Auch wer vor dem 23. Juli aus einem der neu definierten Risikoländer eingereist ist, muss sich beim Kanton melden – und sich allenfalls in Quarantäne begeben. Anwalt Daniel Kettiger meldet hierzu Bedenken an: Massgebend sei der Zeitpunkt der Einreise. Da die erweiterte Liste aber erst ab dem 23. Juli gilt, schreibt er: «Wer also am Dienstag in Bosnien war und am Mittwoch zurückkehrt, muss nicht in Quarantäne.» Kettiger betont, er finde die Quarantänemassnahmen nach der Einreise aus Hochrisikostaaten grundsätzlich sinnvoll. Offensichtlich falsche und zu weit gehende Auslegungen des Rechts schwächten aber das Vertrauen der Bevölkerung in die Massnahmen der Behörden. Am Donnerstag stellte das BAG gegenüber dem «Tages-Anzeiger» klar: «Wenn die veränderte Länderliste bei der Rückkehr aus den Ferien noch nicht in Kraft getreten ist, gibt es keine rückwirkende Quarantänepflicht.»

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