BundesgerichtsentscheidIm Rat abgestimmt – Politikerin muss Mutterschaftsgeld zurückzahlen
Kathrin Bertschy stimmte im März 2019 während ihres Mutterschaftsurlaubs im Parlament ab. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass die GLP-Nationalrätin deswegen nun Mutterschaftsgelder zurückzahlen muss.
Darum gehts
Das Bundesgericht hat entschieden, dass Kathrin Bertschy zwei Jahre zuvor bezogenes Mutterschaftsgeld zurückzahlen muss. Die Begründung des höchsten Schweizer Gerichts: Durch ihre Teilnahme an einer Abstimmung im Parlament habe die GLP-Nationalrätin ihren Mutterschaftsurlaub frühzeitig abgebrochen und danach weiterhin Gelder bezogen. Laut dem Gericht ist die Parlamentstätigkeit nämlich eine «umfassende Arbeitsleistung». Durch das Drücken des Abstimmungsknöpfchens im Nationalrat begann Bertschy also theoretisch wieder zu arbeiten und verlor dadurch den Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung.
Die GLP-Politikerin ist «überrascht und enttäuscht» über das Urteil, wie sie gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagt. «Parlamentarierinnen im Mutterschaftsurlaub ist es damit faktisch untersagt, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.» Bertschy ist nebst ihrer Tätigkeit als Parlamentarierin selbstständig und bezog ab der Geburt ihrer Tochter Ende 2018 Mutterschaftsentschädigung. Dass sie dafür bestraft wird, dass sie während dieser Auszeit weiterhin ihre Wählerinnen und Wähler im Nationalrat vertrat, stösst auf Unverständnis.
«Erfüllung des demokratischen Auftrags»
Zwar muss Bertschy nur einen «tiefen vierstelligen Betrag» zurückzahlen, ihr gehe es aber vor allem auch um die anderen Frauen, die in Kantonsparlamenten politisieren würden. «Es ist unhaltbar, wenn Parlamentarierinnen in einer Demokratie gezwungen werden, sich zwischen ihren politischen Rechten und ihrem Einkommen zu entscheiden – einfach, weil sie Mütter geworden sind.»
So erhalten Kathrin Bertschy und andere Frauen ausgerechnet Unterstützung vom ehemaligen Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen. Jürg Brechbühl, der heute als Jurist arbeitet, hat eine ausführliche Abhandlung zum Thema verfasst und kommt zum Schluss, dass die Teilnahme an einer Parlamentssitzung keine Erwerbstätigkeit sei, sondern einzig «die Erfüllung eines demokratischen Auftrags, den die Parlamentarierinnen von ihren Wählerinnen und Wählern erhalten haben». Derweil haben bereits vier Kantone Initiativen eingereicht, um die nötigen Gesetzesänderungen zu erwirken.