Wahlumfrage«Grüner Bundesratssitz ist kein Thema, wenn es so weitergeht»
FDP und Grünliberale legen zu, Grüne verlieren. Das sind die Resultate der neusten Wahlumfrage von 20 Minuten und Tamedia. Polit-Experte Claude Longchamp ordnet ein.
Darum gehts
Im Januar gehörte die SVP noch zu den Gewinnern, bei der FDP war Gleichstand. Jetzt ist es umgekehrt. Wenn es nach der zweiten Wahlumfrage von 20 Minuten und Tamedia geht, legt die FDP bei den eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 um 1,3 auf 16,4 Prozent zu. Die SVP hingegen bleibt mehr oder weniger auf dem Stand von 2019, bei 25,9 Prozent.
Ebenfalls im Aufwind sind dafür die Grünliberalen: Sie legen in der Umfrage um 1,4 auf 9,2 Prozent zu. Bei der ersten Wahlumfrage Anfang Jahr kamen sie sogar auf 10,2 Prozent.
«Bürgerliche Mitte wird gestärkt»
Der Vormarsch der Grünliberalen ist für Politologe Claude Longchamp nicht überraschend, denn die Grünliberalen hätten regional stark zugelegt. Mit Stadtratsmitgliedern in Winterthur und Uster sind sie mittlerweile in den Exekutiven der drei grössten Städte im Kanton Zürich vertreten, Basel-Stadt hat seit zwei Jahren eine Grünliberale in der Regierung, Nidwalden seit diesem Jahr. Und mit der Gründung der Urner Kantonalpartei sind sie jetzt in allen Kantonen präsent. «Bei den Grünliberalen stimmen die personelle Aufstellung und das Elektorat, das zeigen die Erfolge auf kantonaler Ebene», sagt Longchamp.
Einziges Manko der noch jungen Partei, sagt Longchamp: «Sie konnten sich noch nicht auf die Lancierung einer Volksinitiative einigen. In einem ihrer Hauptthemen Europa oder Klima hätte das gelingen müssen.»
Dass nun die beiden Parteien zulegen, die das freiheitlich-liberale Element im Namen tragen, deutet Longchamp als Zeichen der Stabilität: «2015 hatten wir einen Rechts-, 2019 einen Linksrutsch. Nun stehen die Zeichen auf Kontinuität.» Die bürgerliche Mitte aus FDP, GLP und Mitte werde gestärkt, während das Links- und Rechtslager stagniere.
FDP ganz leichter Vorsprung gegenüber der SP
Und was bedeutet das für die Bundesratswahlen? SP und FDP rechnen schon länger damit, dass sie dem erstarkenden Grünen-Lager irgendwann einen Sitz abtreten müssen. Nun können sie einstweilen aufatmen, wie Longchamp sagt. «Ein grüner Sitz auf Kosten der FDP wird kein Thema sein, wenn sich dieser Trend fortsetzt. Nicht nur wegen des Wiedererstarkens der FDP, sondern auch, weil die SP Stand jetzt leicht weniger Wähleranteile hat als die FDP.» Damit wäre es laut Longchamp schwer zu rechtfertigen, der FDP einen Sitz zugunsten des Linkslagers wegzunehmen.
Claude Longchamp sagt: «Wir hatten jetzt zwei Jahre politisches Hickhack, Klimastreik, Grüne legten zu, bekamen keinen Bundesratssitz, dann kam Corona, die Angriffe der SVP. Und nun deuten die Zeichen auf politische Stabilität.»
Auch Politologe Fabio Wasserfallen, der die Umfrage von 20 Minuten und Tamedia mitverantwortet, sieht es so: FDP und SP können sich nun erst einmal ein wenig entspannen, was die Bundesratsfrage angeht. Doch man dürfe die Verschiebungen auch nicht überbewerten: «Die Grünen haben 2019 ganze 6,1 Prozentpunkte zugelegt, das war ein enormer Zuwachs. Da relativiert sich der Verlust von 1,4 Prozentpunkten in dieser Umfrage.»
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