BAG musste fast intervenierenGymi-Schüler klauten in der Physikstunde radioaktives Material
Eine Schulklasse sollte an einer Radium-226-Probe Messungen vornehmen. Am Schluss der Stunde fehlte die radioaktive Substanz.
Darum gehts
Letztes Jahr wurde an einem Gymnasium im Physikunterricht radioaktives Material geklaut.
Die Schülerinnen und Schüler mussten damit experimentieren, doch am Ende des Unterrichtes fehlte die Radium-226-Quelle.
Daraufhin schaltete der Lehrer die Schulleitung und das BAG ein.
Den Vorfall machte das BAG in einem Jahresbericht über Strahlenschutz und Dosimetrie publik.
Der Jahresbericht Strahlenschutz und Dosimetrie des Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist eher technische Lektüre. Es geht um Messverfahren, radioaktive Abfälle, oder den «Aktionsplan Radiss zur Verstärkung der radiologischen Sicherung und Sicherheit in der Schweiz 2020–2025».
Ein Kuriosum bildet ein Fall, den die Experten im Abschnitt «radiologische Ereignisse von besonderem Interesse» der aktuellen Ausgabe ausführlich beschreiben. Im Jahr 2020 kam es nämlich an einem Gymnasium zu einem «Diebstahl einer radioaktiven Quelle». Dies kam so:
Radioaktive Atelierarbeit
«Im Rahmen von praktischen Arbeiten im Fach Physik haben Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums mit schwach radioaktiven Quellen diverse Messungen durchgeführt. Der Unterricht war als Atelierarbeit konzipiert. Die Schülerinnen und Schüler wurden zunächst über die Gefahren und den korrekten Umgang mit den Quellen instruiert, bevor der Lehrer ihnen diese für ihre Gruppenarbeiten überliess», heisst es im Bericht.
Am Ende des Vormittags war dann die Radium-226-Quelle mit einer Aktivität von 3 kBq verschwunden – der Lehrer konnte sie nicht wie vorgesehen wieder im Safe einschliessen. Und da die Schülerinnen und Schüler davon nichts gewusst haben wollten, schaltete der Lehrer die Schulleitung ein.
Fast musste das BAG eingreifen
Im Bericht des BAG steht weiter:
«Diese setzte der Schülerschaft des ganzen betroffenen Schuljahrs eine Frist für die Rückgabe der Quelle bis 14 Uhr, die ungenutzt verstrich. Die Schulleitung fragte daraufhin das BAG um Rat bezüglich des weiteren Vorgehens. Der Zuständige des BAG informierte über die potenziellen Folgen bei einem solchen Ereignis (polizeiliche Ermittlung, Strafanzeige, Sanktion) und ein mögliches Vorgehen, um die Quelle anonym zurückzuerhalten.»
Ein Besuch der BAG-Beamten blieb trotz Androhung aus. Am nächsten Morgen stand im leeren Schulzimmer eine Kiste, die Schülerinnen und Schüler mussten einzeln den Raum betreten. «Vorgängig wurde ihnen garantiert, dass erst ganz am Schluss kontrolliert wird, ob die Quelle in der Kiste liegt. Dank diesem Vorgehen konnte die Quelle ohne zusätzliche behördliche Schritte wieder in Besitz genommen werden.»
Vorfall ist ein Novum
Auf Nachfrage beim BAG heisst es, ein ähnlicher Fall sei bisher nicht dokumentiert. BAG-Sprecher Daniel Dauwalder erklärt, dass von der verwendeten radioaktiven Quelle nur eine geringe Gefährdung ausgegangen sei. Die Grenze der Aktivität, wofür bei Radium-226-Quellen eine Bewilligungspflicht bestehe, liege bei 2 kBq – also knapp tiefer als bei der entwendeten Quelle. «Eine alte, mit Radiumleuchtfarbe besetzte Uhr, hat eine vergleichbare Aktivität.»
Deshalb geht das BAG davon aus, dass gegen die Diebe – hätten sie die Probe nicht zurück in die Kiste gelegt – kein Strafverfahren eröffnet worden wäre, sondern lediglich eine kleine Busse gedroht hätte. «Gesundheitliche Schäden durch die direkte Bestrahlung einer Person mit einer Quelle dieser Stärke können ausgeschlossen werden.»
Das BAG will aufgrund des Vorfalls an Schulen verstärkt auf das Problem hinweisen. «Die Verwendung radioaktiver Quellen in Schulen ist bereits heute stark eingeschränkt und wird periodisch durch das BAG kontrolliert», sagt Dauwalder. Man werde aber anlässlich von Inspektionen in Schulen die verantwortlichen Personen verstärkt darauf aufmerksam machen, «dass radioaktive Quellen grundsätzlich ständig überwacht und auch bei kurzzeitigem Nichtgebrauch in den vorhandenen Tresor zurückgelegt werden müssen, damit ein möglicher Diebstahl verhindert werden kann».
«Das ist mir ein Rätsel»
Christian Stulz, Physiklehrer und Präsident der Deutschschweizerischen Physikkommission, unterrichtet seit 24 Jahren. Von einem ähnlichen Diebstahl einer radioaktiven Quelle hat er noch nie etwas gehört. «Es ist mir ein Rätsel, was die Schülerin oder der Schüler damit anstellen wollte.» Denn eine solche Quelle sei harmlos. Sogar wenn man sie unter dem eigenen Bett lagern oder in der Hosentasche tragen würde, sei die Strahlung unbedenklich. Stulz hofft, dass die Diebe das Radium aus Neugierde an der Physik und für eigene Experimente entwendet hatten. Am ärgerlichsten wäre der Verlust der Probe ohnehin für die Schule gewesen, sagt Stulz: «Das Material ist relativ teuer und kostet einige Hundert Franken.»
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