Strafgericht Basel-StadtMutter verblutet bei Geburt – Anklage gegen Ärzte und Hebamme
Eine Mutter stirbt bei der Geburt in einem Basler Spital, ihre Tochter überlebt mit schweren Behinderungen. Ärzte und Hebamme hätten den Tod der Frau verhindern können, so die Staatsanwaltschaft. Zwölf Tage soll der Prozess gegen die drei Beschuldigten dauern.
Darum gehts
Im März 2014 starb eine Frau, nachdem es zu Komplikationen bei der Geburt gekommen war. Das Baby überlebte, erlitt jedoch unheilbare Schäden am Gehirn.
Zwei Ärzte und eine Hebamme sind wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Sie haben fahrlässig gearbeitet, wirft ihnen die Basler Staatsanwaltschaft vor.
Der Prozess ist auf zwölf Tage angesetzt und soll im Oktober stattfinden.
Im März 2014 starb eine Frau auf der Notfallstation des Basler Unispitals an den Folgen von Blutverlust. Sie war aus dem Bethesda-Spital eingeliefert worden, wo es zu Komplikationen bei der Geburt kam. Das Baby überlebte, erlitt jedoch unheilbare Schäden am Gehirn. Nun müssen sich zwei Ärzte und eine Hebamme, die damals im Bethesda die Verantwortung trugen, vor dem Strafgericht Basel-Stadt verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung und fahrlässige schwere Körperverletzung vor.
Knapp neun Jahre nach dem tragischen Vorfall, knapp vor der Verjährung, ist die Verhandlung angesetzt. Auf 42 Seiten führt die Staatsanwaltschaft aus, was die Beschuldigten falsch gemacht haben sollen – und was stattdessen richtig gewesen wäre. Die folgenden vier Punkte zeigen auf, wo die Anklage das sträflich fahrlässige Fehlverhalten sieht.
Geburt wurde eingeleitet, ohne Position des Kindes zu prüfen
Nachdem sich eine Stunde und 20 Minuten nichts getan hatte, verabreichte die Hebamme der Mutter ein Medikament (Syntocinon), um die Wehen zu fördern. Der Geburtsarzt führte den mangelnden Fortschritt auf zu schwache Wehen und mangelndes Mitpressen der Patientin zurück. Andere Gründe sollen nicht erwogen worden sein.
Der Geburtsarzt und die Hebamme versäumten es beide, zu prüfen, in welcher Position sich das Kind befand, obwohl das möglich gewesen wäre. Dass es sich mit dem Rücken zum Rücken der Mutter befand und der Kopf nicht auf der Brust abgestützt, sondern überstreckt war, bemerkten sie erst viel zu spät – in der Lage brauchte es mehr Platz. Es hätte ein Wehenhemmer verabreicht und eine Untersuchung durchgeführt werden müssen.
Druck auf Fötus wurde ignoriert
Der Fötus rutschte zwar, blieb aber erneut stecken. Ein Kaiserschnitt war nun unmöglich. Indes führte das Syntocinon weitere Wehen herbei. Das Kind war grossem Druck ausgesetzt, wodurch sein Puls von den üblichen 130 bis 150 auf 70 bis 75 Schläge pro Minute sank. Dadurch kam es zum ersten Sauerstoffmangel im Gehirn des Mädchens. Der Pulseinbruch wurde auf Instrumenten angezeigt, es wurde aber nicht darauf reagiert.
Der Geburtsarzt und die Hebamme hätten mit einer problematischen Geburt rechnen können und darauf vorbereitet sein müssen. Statt auf eine Sturzgeburt zu hoffen, hätte ein Ultraschall gemacht und das Kind sofort mit der Zange herausgeholt werden müssen. Weder das eine noch andere stand jedoch bereit.
Falsch wiederbelebt
Nachdem das Kind doch noch mit der Zange auf die Welt gebracht wurde, war es leblos. Die Ärzte setzten richtigerweise sofort zur Reanimation an, mit Beatmung und Herzmassage. Nach der Intubation (Lungenröhrchen) konnte ein Puls festgestellt werden. Später traf ein Team des Universitätskinderspitals (UKBB) ein und brachte das Kind auf den Notfall. Da hatte es aber bereits schwerwiegende Gehirnschäden erlitten.
Die Intubation hätte viel früher eingeleitet werden müssen, um die durch Sauerstoffmangel verursachten Schäden nicht noch zu verstärken. Die Folge sei eine 28-minütige Unterversorgung, die beim Kind zu bleibenden Behinderungen führte.
Riss in der Gebärmutter wurde nicht entdeckt
Der durch die Wehen verursachte Druck führte zu einem Riss in der Gebärmutter der Frau, wodurch es zu anhaltenden inneren Blutungen kam. Ihr Blutdruck kollabierte. Der Anästhesiearzt gab ihr mehrfach Medikamente, ein bleibender Erfolg blieb aber aus, weil die Frau permanent Blut verlor.
Wäre ein Ultraschall durchgeführt oder die Vagina der Mutter nicht nur oberflächlich untersucht worden, wäre die Verletzung aufgefallen. Statt erfolglos Symptome zu bekämpfen, hätte man zwingend nach weiteren Ursachen suchen müssen. Auch die Aussagen der Frau hätten nicht ignoriert werden dürfen. Sie sagte etwa, sie habe «das Gefühl, zu gehen». Der Notfall wurde zu spät ausgelöst – sie verlor noch im Krankenwagen das Bewusstsein und starb im Not-OP des Unispitals.
Zwölf Tage für Verhandlung geplant
Zu diesen Vorwürfen gelangt die Staatsanwaltschaft unter Einbezug mehrerer Expertengutachten. Die Hauptverhandlung findet im Oktober statt. Sie soll zwölf Tage dauern. Es ist davon auszugehen, dass die Verteidigenden ebenfalls Sachverständige hinzuziehen werden, um die Vorwürfe der Anklage zu entkräften. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?
Hier findest du Hilfe:
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen
Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Lifewith.ch, für betroffene Geschwister
Verein Familientrauerbegleitung.ch
Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen