Sportchef Christoph Spycher: «Habe YB längst mitgeteilt, dass ich diesen Weg weitergehen will»

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Sportchef Christoph Spycher«Habe YB längst mitgeteilt, dass ich diesen Weg weitergehen will»

Die Young Boys sind einer von drei Clubs, die sich klar gegen die Modus-Änderungen in der Super League stellen. Auch sonst gibts es um die Berner viel zu besprechen. Sportchef Christoph Spycher (44) im exklusiven Interview.

Akrobatisches Fassnacht-Tor bringt YB den Sieg über St. Gallen.

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Darum gehts

YB gehört zu einem der drei Clubs, die sich öffentlich gegen die Liga-Reform ausgesprochen haben. Aufstockung, Playoffs – wo liegt in Ihren Augen das grösste Problem?

Das grösste Problem liegt ganz klar bei der sportlichen Fairness. Viele Vereine sind aus Gründen der Planbarkeit für eine Aufstockung. Sie sehen ihre Arbeit durch einen möglichen Abstieg gefährdet. Das können wir nachvollziehen. Auf der anderen Seite muss man auch denjenigen Teams, die ums europäische Geschäft spielen, eine Planbarkeit geben. Wir können nicht in der unteren Tabellenhälfte Sicherheit schaffen und in der oberen dem Zufall mit der Einführung von Playoffs mehr Gewicht geben. Das führt zu einer klaren Wettbewerbsverzerrung.

Sie argumentieren auch mit den europäischen Wettbewerben …

Klar. Das ist auch elementar für die Vertretung der Schweizer Clubs in europäischen Wettbewerben – da brauchen wir die besten Teams und gute Leistungen. Dieses Jahr sind wir im Uefa-Ranking wieder einen Schritt nach oben gelangt. Durch Solidaritäts-Zahlungen wird die ganze Liga davon profitieren.

Aber führen Playoffs nicht zu attraktiveren Partien?

Im Gegenteil: Wenn wegen der Playoffs der Druck in der Meisterschaft weniger hoch ist, werden die Clubs viele ihrer Spieler schonen. Wenn diese dann auf Vereine treffen, bei denen jeder Punkt wichtig ist, führt das auch über diesen Weg zu einer Wettbewerbsverzerrung sondergleichen. So vergrault man ganz viele Fussball-Fans, die aktuell ins Stadion gehen.

Irgendwie muss die Liga aber handeln, Status quo ist ja nicht wirklich tragbar. Welche Anpassungen wären dann Ihrer Meinung nach vertretbar?

Wir verstehen die Vereine, die sagen, man müsse auf zwölf Teams aufstocken. Dem verschliessen wir uns auch nicht grundsätzlich. Trotzdem müssen wir so einen Modus finden, der sportlich fair ist. Da könnte man vielleicht auf das österreichische Modell zurückgreifen (Anmerkung der Redaktion: Aufteilung der Liga nach 22 Runden in eine Meister- und eine Abstiegsrunde; inklusive Europa-Chancen in der Abstiegsrunde).

Zurück zu den Fans: Anhängerinnen und Anhänger formieren sich – Fans aller Clubs sprechen sich gegen den neuen Modus aus, samt Online-Petition. Haben die Clubs dann nicht mit ihrer Basis gesprochen?

Es sieht so aus, dass zum Teil nicht klar kommuniziert wird, beziehungsweise dass die Vereine gegenüber ihren eigenen Fans nicht klar Stellung beziehen möchten. Vor allem aber gehe ich davon aus, dass sich viele der Tragweite der Modus-Änderung nicht bewusst sind. Dass wir hier in der Schweiz einen solchen Versuchsballon steigen lassen, können wir nicht vertreten.

… und trotzdem wird die Reform am 20. Mai angenommen. Oder nicht?

Ich hoffe es nicht. Ich hoffe, dass sich die Leute noch einmal Gedanken machen und ein Zeichen im Sinn des Schweizer Fussballs, der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und der sportlichen Fairness setzen. Klar, waren die letzten Meisterschaften in der Super League nicht wirklich spannend. Aber das ist keine Modus-Thematik.

Wieso nicht?

Der FC Zürich ist dieses Jahr verdientermassen mit grossem Abstand Meister geworden. Aber wird haben viele gute Mannschaft in der Schweiz, damit es künftig spannende Entscheidungen geben wird.

Wechseln wir das Thema: Die verkorkste YB-Rückrunde. Sind die Winterabgänge verantwortlich?

Ja, die Abgänge haben sicher eine Rolle gespielt und uns geschwächt. Aber die meisten, so zum Beispiel der von Michel Aebischers, hatten sich lange angebahnt. Was uns getroffen hat, war der Transfer von Christopher Martins, dessen physische Präsenz unbedingt ersetzt werden musste. Mit Niasse haben wir einen adäquaten Nachfolger gefunden. Dieser brauchte aber seine Eingewöhnungsphase. Ohne die lange Verletztenliste hätten wir alle Abgänge kompensieren können.

Wie erklären Sie sich die lange Verletztenliste?

Wir hatten Verletzungspech: Klingt wie eine Ausrede, aber keiner unserer Top-20-Spieler war diese Saison verletzungsfrei. Viele davon waren unglücklich. Bei den muskulären Verletzungen müssen wir uns aber kritisch hinterfragen.

Heisst?

Auch muskuläre Verletzungen könnten durch Schläge beziehungsweise Traumata verursacht werden. Das passiert oder passiert nicht. Sie können aber auch wegen Über- oder Fehlbelastung auftreten. Und wenn das passiert, müssen wir über die Bücher.

Verletzte hin oder her, die sportliche Krise wollten Sie mit dem Trainerwechsel von David Wagner zu Matteo Vanetta beenden. Haben Sie den gewünschten Effekt erreicht?

David Wagner war keine Fehlbesetzung. Wir mussten aber im Frühling erkennen, dass wir einen neuen Impuls brauchten. Das haben wir David Wagner so kommuniziert und sind auf eine gute Art und Weise auseinander. Wir haben auch heute noch einen guten Kontakt. Den resultatmässigen Turnaround haben wir dadurch allerdings nicht erreicht. Ich bin aber überzeugt, dass wir grundsätzlich eine gute Entwicklung gemacht haben.

Spricht so allerdings nicht für Matteo Vanetta. Bleibt er über den Sommer hinaus YB-Trainer?

Matteo Vanetta wird bis Ende Saison YB-Trainer sein. Dann werden wir die Situation analysieren, mit ihm besprechen und eine Entscheidung fällen. Alles andere können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Kommen wir zu Ihnen: Sie gelten als einer der kompetentesten Sportchefs des Landes und es kursieren immer wieder Gerüchte, dass Sie YB in Richtung einer Topliga verlassen könnten. Wie sieht Ihre eigene Zukunft aus?

Wir haben dem Ziel, in der nächsten Saison europäisch vertreten zu sein, alles untergeordnet. Dieses Ziel haben wir auch dank des Cupsiegs von Lugano erreicht. Dem entsprechend war auch meine eigene Zukunft und eine allfällige Vertragsverlängerung dem unterzuordnen. Ich habe dem Verwaltungsrat längst mitgeteilt, dass ich diesen Weg weitergehen will.

Sie bleiben also bei YB?

Dies zu Papier zu bringen, hatte keine Priorität. Dieses Thema sollte aber bald erledigt sein.

Zum Schluss: Nati-Stürmer Cedric Itten zu YB – was ist an diesem Gerücht dran?

Ich kann Ihnen sonst gerne unsere interne Kaderplanung schicken, dann wissen Sie Bescheid (lacht). Spass beiseite: Zu Spekulationen nehmen wir nie Stellung. Manchmal streifen die Gerüchte die Wahrheit, manchmal liegen sie komplett daneben.

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