Schlechtes EssenHäftlinge protestieren gegen Essen in Witzwil
Der Direktor der Justizvollzugsanstalt Witzwil hat eine Beschwerde von Häftlingen erhalten, weil das Essen im Gefängnis schlecht und eintönig sei. Es brodle, so ein Insasse.
Nach dem Aufstand im Gefängnis Thorberg legen sich Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Witzwil mit der Führung an. Das geht
aus einer Beschwerde hervor, die an den Direktor der Anstalt, Hans-Rudolf Schwarz, adressiert ist und von 75 Häftlingen unterschrieben wurde. Das Essen sei «massiv unzureichend ausgewogen, geschweige denn gesund», heisst es darin. «Wir Gefangenen von Witzwil teilen Ihnen mit, dass wir uns fast täglich von Konfitüre zusätzlich ernähren müssen, um unsere nötigen Kalorien zu erreichen.» Auch Früchte würden die Häftlinge keine bekommen.
Dies bleibe nicht ohne Folgen: «Aufgrund dieses Dauerzustandes der Küche ist es mehreren Gefangenen nicht mehr möglich, ihre Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen», steht im Beschwerdebrief. Gemäss Informationen von 20 Minuten soll es auch schon bei der Arbeit zu Zusammenbrüchen gekommen sein. Ein Insider sagt, einige Häftlinge würden bereits Zusatznährstoffe wie Magnesium ins Gefängnis schmuggeln, weil sie derart geschwächt seien. Auf Beschwerden hätten die Küchenmitarbeiter nicht reagiert.
Gefangene ernähren sich von Konfitüre
Meist würden Teigwaren serviert, die zu wenig oder zu lange gekocht worden seien. Dazu gebe es immer lediglich grünen Salat. Auch Kartoffeln oder Pouletfleisch würden regelmässig zu wenig lange gekocht oder gebraten. Als Abendessen hätten die Gefangenen etwa Spiegelei mit «praktisch rohen» Kartoffeln erhalten. Daraufhin habe es einen kleinen Aufstand gegeben.
Gemäss dem Beschwerdebrief werfen viele Gefangene das Essen weg. Weil auch die Nahrungsmittel im Gefängniskiosk teuer seien, würden sich viele nur noch von Konfitüre, Schokolade oder Gummibärchen ernähren. Keine gute Basis für ihre Arbeit: Die JVA Witzwil betreibt einen grossen Landwirtschaftsbetrieb, in dem die Gefangenen mitarbeiten. Sie helfen etwa beim Kartoffel- und Gemüsebau, bei der Rindvieh- oder Pferdehaltung oder im Werkatelier.
«Schikaniert und unter Druck gesetzt»
Gefängnisdirektor Schwarz hat aufgrund der Petition einen runden Tisch veranstaltet und beschlossen, dass das Abendessen angepasst wird, regelmässig Früchte bereitgestellt werden und die Küche einen Feedback-Briefkasten erhält.
Schwarz bestätigt gegenüber 20 Minuten, dass er sich mit den Küchenmitarbeitern und drei Petitionären getroffen hat. Die Rückmeldung der Gefangenen auf die beschlossenen Massnahmen seien positiv gewesen. Am Donnerstag habe es erneut ein Treffen gegeben. «Sämtliche Anwesenden distanzierten sich von einer ‹Beschwerde› und bekräftigten, dass die Massnahmen vollumfänglich umgesetzt worden seien.»
«Wenigstens die Küche sollte stimmen»
Ein Häftling bestreitet dies: «Umgesetzt wurde davon nichts.» Stattdessen würden die Insassen seit ihrer Beschwerde von Vollzugsmitarbeitern «schikaniert und unter Druck gesetzt». «Die Häftlinge kochen. Wir haben hier ein zweites Thorberg. Nur das System ist etwas anders.» Das Gefängnis Thorberg sorgte im vergangenen Herbst mit einem Streik für Schlagzeilen.
Peter Zimmermann, Präsident von Reform 91, einer Organisation für Strafgefangene und Ausgegrenzte, begrüsst es, dass Schwarz den Dialog mit den Gefangenen gesucht hat. Auch dass er Veränderungen beschlossen hat, sei ihm anzurechnen. Auch Zimmermann zieht eine Parallele zum Fall Thorberg. Auch dort haben Häftlinge im November unter anderem für besseres Essen gestreikt. Zimmermann schlägt vor, dass die Verantwortlichen das Essen doch einmal selbst probieren sollten, «so käme man auf eine breitere Beurteilung».
Auch die Vorwürfe der Gefangenen, sie würden schikaniert und unter Druck gesetzt, überraschen Zimmermann nicht. «Unter dem Vorwand der Sicherheit werden laufend neue Regelungen – für die Insassen entpuppen die sich mehrheitlich als Schikanen – aufgebaut, welche indessen die Sicherheit kaum erhöhen, sondern dem Publikum bloss eine solche vorgaukeln. Auch hier wird anstaltsintern einmal ein Level erreicht, der zum Widerstand der Insassen führt.» Umso wichtiger sei, dass wenigstens die Küche stimme.
Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern hat zum Fall bis am Sonntag keine Stellung genommen.