Hälfte der Corona-Toten stirbt im Altersheim

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Exklusive BAG-ZahlenHälfte der Corona-Toten stirbt im Altersheim

In der zweiten Corona-Welle sind in der Schweiz mindestens 2686 Personen in Alters- und Pflegeheimen gestorben. Das BAG will nun mehr Tests bei Pflegenden empfehlen.

Von Beginn Oktober bis Ende 2020 starben in Alters- und Pflegeheimen 2686 Corona-Patienten.
Das zeigen neue Daten des Bundesamt für Gesundheit.
Dabei starben in einzelnen Wochen mehr als 300 Personen in einem Alters- oder Pflegeheim.
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Von Beginn Oktober bis Ende 2020 starben in Alters- und Pflegeheimen 2686 Corona-Patienten.

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Darum gehts:

  • Schweizweite Zahlen zeigen, wie das Coronavirus in Altersheimen wütet.

  • Dennoch plant der Bund kein Impfobligatorium für Pflegende.

Bislang war nicht bekannt, wie viele Corona-Patienten schweizweit in Altersheimen sterben – Fälle wie in Rafz ZH, wo innert zwei Wochen elf von gut 40 Bewohnern starben, liessen aber aufhorchen. Gegenüber 20Minuten legt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jetzt erstmals Zahlen vor. Laut der Statistik, die Anfang Oktober mit der zweiten Welle einsetzt, verstarben in den vergangenen zwölf Wochen mehr Corona-Patienten in einem Alters- oder Pflegeheim als im Spital.

Konkret: Bei der Hälfte der Todesfälle – 2686 an der Zahl – wurde als Todesort «Alters- und Pflegeheim» angegeben, während 2138 Corona-Positive im Spital starben. 622 Personen starben anderswo oder der Todesort war nicht angegeben. In einzelnen Wochen starben mehr als 300 Personen in einem Alters- und Pflegeheim, wie die Grafik zeigt

Bis zu 90 Prozent wollen nicht ins Spital

Die Senevita Gruppe, die rund 5000 ältere Menschen in betreuten Wohnungen, Pflegeheimen und zu Hause beherbergt, beobachtet, dass viele Heimbewohner bei einer Coronaerkrankung lieber in den Heimen blieben, als in ein Spital zu gehen. Pressesprecherin Evelyn Ruckstuhl: «Viele unserer Bewohnenden sprechen sich im Falle einer Coronaerkrankung gegen eine Verlegung in ein Spital aus, in den ländlichen Regionen sind das bis zu 90 Prozent der Befragten. Je nach Verlauf schlagen wir den Bewohnenden eine Verlegung vor oder nicht.» Die finale Entscheidung liege immer bei den Bewohnenden.

Das bestätigt auch Pressesprecherin Eva Strebel vom Branchenverband Curaviva. «Viele Bewohnerinnen und Bewohner wünschen gemäss Patientenverfügung oder durch Willensäusserung auch bei einer COVID-19-Erkrankung in der Institution zu bleiben, die ihr Zuhause ist.» Laut Strebel entlasten die Institutionen mit ihrem Angebot zusätzlich auch die Spitäler, weil palliative Massnahmen in den Heimen angeboten würden.

Kein Impfobligatorium geplant

Weil ein Teil der Bewohner der Alters- und Pflegeheimen im Spital behandelt wird, machen sie die Mehrheit der Corona-Opfer aus. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtete, wohnten etwa im Kanton Solothurn 80 Prozent aller Toten in einem Pflegeheim. Die Zahlen befeuern die Debatte um die «kontrollierte Durchseuchung», die Impfpflicht für Pflegepersonal und den besseren Schutz der Risikogruppen. Gelinge es nicht, diese besser abzuschirmen, könne der Rest der Bevölkerung noch lange nicht zur Normalität zurückkehren, sagen Kritiker.

Inzwischen beschäftigt sich auch der Bundesrat mit den hohen Todeszahlen in Altersheimen. So will das BAG demnächst die serielle Testung des Pflegepersonals empfehlen, wie aus einem Schreiben des Bundesamts an die Kantone hervorgeht. Zudem fordert er die Kantone auf, dass Pflegende, die eigentlich in Quarantäne sein müssten, wegen Engpässen trotzdem arbeiten gehen. Offenbar kein Thema ist ein Impfobligatorium fürs Pflegepersonal.

Hast du oder jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Tel. 147

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