Stapi unter BeschussHat Thomas Müller Sozial-Hilfe-Bezügerin gemobbt?
Ein Jahr lang wollte sich eine Sozialhilfe-Bezügerin in Rorschach anmelden – erfolglos. Stadtpräsident Thomas Müller soll dies persönlich verhindert haben.

Rorschachs Stadtpräsident Thomas Müller soll eine Sozialhilfe-Bezügerin gehindert haben, sich bei der Stadt anzumelden.
Im Dezember 2012 meldete sich die Sozialhilfe-Bezügerin Esther Steiner* in St. Gallen ab und zog nach Rorschach. Dort hatte sie zuvor sechs Jahre gelebt und zwei Kinder zur Welt gebracht, schreibt der «Beobachter». «Ich hatte gute Erinnerungen an Rorschach und wollte dort einen Neubeginn», sagt die Schweizerin. Doch Stadtpräsident Thomas Müller habe etwas dagegen gehabt.
Zu Beginn habe die mittlerweile dreifache Mutter bei ihrem Kollegen Gottlieb Kündig gewohnt. Im September 2013 wollte sie sich in Rorschach anmelden, sowohl beim Einwohneramt wie auch beim Sozialamt, weil sie seit rund acht Jahren Sozialhilfe bezieht. Die Rorschacher Behörden hätten einen Mietvertrag verlangt, da dieser nötig sei für die Anmeldung. Eine schriftliche Bestätigung ihres Kollegen, dass Steiner bei ihm wohne, habe nicht gereicht.
Hilfe von den sozialen Diensten
Zwei Monate danach soll die Stadt Kündig zu einem Gespräch eingeladen haben. Stadtpräsident Thomas Müller sei auch vor Ort gewesen. Das Thema war Esther Steiner. «Müller hatte verständlicherweise kein Interesse daran, dass sie in Rorschach wohnt», so Kündig gegenüber dem «Beobachter». «Müller fragte, ob ich wisse, was ich der Stadt antue, wenn ich sie bei mir wohnen lasse», so Kündig. Die Sozialhilfe-Bezügerin würde die Stadt über 140'000 Franken kosten.
Für Steiner hatte das Gespräch gravierende Folgen. Sie musste aus der Wohnung von Kündig raus. Er habe sogar ein Hausverbot für Steiner durchgesetzt. In dieser Zeit habe sie an verschiedenen Orten übernachtet.
Stadtpräsident droht Vermieterin
Daraufhin habe sich Esther Steiner entschieden, eine Wohnung zu suchen. Im Juli 2014 sei sie fündig geworden und habe einen Mietvertrag für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft unterschrieben. Der Stadtpräsident habe sich dann mit der Vermieterin in Kontakt gesetzt. «Er sagte, dass Leute wie Esther Steiner nicht in Rorschach wohnen dürften», so die Vermieterin. Er habe ihr sogar gedroht, für den Fall, dass sie den Mietvertrag nicht auflöse. «Er wollte die Sozialhilfe-Bezügerin daran hindern, sich in Rorschach anzumelden», schreibt der «Beobachter».
Unterstützung erhielt Steiner von Sozialarbeiterin Irma Graf und einem Anwalt, die sich beide ehrenamtlich für die Sozialhilfe-Bezügerin einsetzten. Zu dritt sollen sie den Mietvertrag beim Stadtamt vorgewiesen haben. Was dort passierte, habe Sozialarbeiterin Graf kaum glauben können. «Eine Mitarbeiterin der Stadt sagte uns, dass sie Esther Steiner nicht anmelden könne.» Auf «Weisung von oben» dürfe sie den Mietvertrag nicht annehmen.
St. Gallen überlegt Klage gegen Rorschach
Damit war für Steiner das Limit erreicht. «Rorschach hatte gewonnen», sagt sie. Im Dezember 2014 bezog sie eine kleine Wohnung in St.Gallen. Innert zwei Tagen sei sie im Einwohnerregister der Stadt St.Gallen eingetragen gewesen. Doch die Sache scheint noch nicht abgeschlossen. Das Sozialamt St. Gallen prüft laut «Beobachter» eine Klage gegen Rorschach. «Nach unserer ersten Einschätzung wurde Frau Steiner eine Wohnsitznahme in Rorschach verweigert», sagt die stellvertretende Amtsstellenleiterin Doris Schwizer. In den nächsten Wochen werde man entscheiden, ob die Klage eingereicht werde.
Gegenüber dem «Beobachter» wollte sich Stadtpräsident Müller nicht zu den Vorfällen äussern. Zu 20 Minuten sagte er am Sonntag allerdings, dass er in den nächsten Tagen eine Erklärung zu den Vorwürfen abgeben werde.
*Name geändert