Heimlich Kondom entferntBreite Zustimmung: Parteien fordern Strafen für «stealthing»
Das heimliche Entfernen des Kondoms soll einen eigenen Straftatbestand erhalten. Das fordert der Kanton Genf per Vorstoss im Parlament. Von links bis rechts erachtet man das Thema als wichtig – ist sich aber unsicher, ob es eine Gesetzesanpassung braucht.
Darum gehts
Beim «stealthing» wird während des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs das Kondom heimlich entfernt.
Der Kanton Genf fordert eine klare Strafbestimmung für «stealthing» und hat einen Vorstoss eingereicht.
Politikerinnen von links bis rechts sind sich einig: Das Thema ist wichtig.
Unsicher ist man sich jedoch darüber, ob eine Gesetzesänderung notwendig ist.
Der Geschlechtsverkehr beginnt einvernehmlich und mit Präservativ – doch immer wieder gibt es Fälle, bei denen währenddessen das Kondom von einem der Sexualpartner heimlich entfernt wird. Ohne, dass sein Gegenüber dies mitbekommt. Das Opfer riskiert, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken – oder schwanger zu werden.
Das Phänomen nennt sich «stealthing». In der aktuellen Gesetzeslage gibt es dafür keine ausdrückliche Strafbestimmung. Der Kanton Genf fordert, dass sich das ändert – und hat dafür einen Vorstoss beim Parlament eingereicht. Denn: Mangels einer hinreichend eindeutigen Rechtsgrundlage bestehe die Gefahr, dass die Täter derzeit straffrei davonkämen.
Stéphane Florey (SVP): «Gesetzeslücke, die geschlossen werden muss»
SVP-Politiker Stéphane Florey hat den Vorstoss im grossen Rat des Kantons Genf initiiert. «Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden muss», argumentiert er gegenüber 20 Minuten.
Das Parlament debattierte bereits 2023 im Rahmen des neuen Sexualstrafrechts über einen Straftatbestand für «stealthing» – lehnte einen solchen letztlich jedoch ab. Der Genfer Vorstoss kommt am Dienstag auf den Tisch der Rechtskommission des Ständerats, die sich als Erstes damit befasst.
Tamara Funiciello (SP): Bei Zweifel unbedingt ins Gesetz
Für SP-Nationalrätin Tamara Funiciello ist klar: «Stealthing» muss strafbar sein, ohne Wenn und Aber. Sie begrüsst daher, dass das Thema erneut aufgegriffen wird. «Eigentlich sollte ‹stealthing› im neuen Sexualstrafrecht bereits mitgedacht sein», betont die Bernerin.
Ob momentan tatsächlich eine Gesetzeslücke besteht, sei aktuell aber noch unklar. «Sollten Zweifel bestehen, muss ‹stealthing› unbedingt explizit ins Gesetz aufgenommen werden.» Doppelt genäht halte besser, so Funiciello.
Nina Fehr Düsel (SVP): Würde allenfalls Sinn machen
SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel fragt sich ebenfalls, ob die bestehenden Straftatbestände das «stealthing» nicht bereits ausreichend abdecken. Da in früheren Fällen jedoch weder der Artikel über sexuelle Belästigung noch der Artikel über Schändung angewandt wurde, gäbe es hier möglicherweise eine Lücke im Strafrecht.
«In solchen Fällen würde allenfalls eine neue Norm Sinn machen», meint die Zürcherin. Für sie wäre am ehesten eine Ergänzung des Gesetzesartikels zur sexuellen Belästigung denkbar. «Wichtig ist, dass die Täter nicht ungestraft davonkommen.»
Das sagt die Expertin

Nora Scheidegger vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern.
Jan Holger EngbergSexualstrafrechtsexpertin Nora Scheidegger ist der Meinung, dass die «Nein heisst Nein»-Regelungen in Artikel 189 und 190 «stealthing» abdeckten – denn der Täter, der trotz klarer Vereinbarung zu geschütztem Verkehr das Kondom heimlich entfernt, handle gegen den Willen des Opfers.
Noch unklar sei hingegen, welcher der beiden Artikel, die jeweils unterschiedliche Strafrahmen hätten, anwendbar sei – das werde die Praxis zeigen. Derzeit sei es für eine Beurteilung jedoch noch zu früh. «Es erscheint mir sinnvoller, abzuwarten, wie die Gerichte das neue Recht anwenden – erst dann lässt sich abschätzen, ob es allenfalls eine Anpassung oder Ergänzung des Strafrechts braucht», so Scheidegger.
Patricia von Falkenstein (FDP): «Stealthing» ist bereits strafbar
FDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein hält das Thema ebenfalls für wichtig. Für sie ist jedoch klar, dass das Thema bereits im Rahmen der Änderung des Sexualstrafrechts behandelt worden sei. Damals habe das Parlament den Tatbestand der Vergewaltigung erweitert.
«Neu reicht für eine Strafbarkeit aus, dass der Täter den verbal oder nonverbal zum Ausdruck gebrachten Willen des Opfers vorsätzlich missachtet.» Damit wäre der Tatbestand des «stealthing» bereits abgedeckt, erklärt von Falkenstein.
Ob es nun einen eigenen Straftatbestand braucht, wird am Dienstag die Diskussion in der Rechtskommission zeigen. Sollte die Kommission der Meinung sein, dass «stealthing» explizit ins Gesetz aufgenommen werden müsse, könne sie eine Kommissionsmotion verfassen, erklärt Mitte-Nationalrätin Maya Bally. Auch für sie ist das Thema «auf jeden Fall prüfenswert».
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