Hier überführt ein Sozialdetektiv Betrüger

Aktualisiert

Verdeckte ÜberwachungHier überführt ein Sozialdetektiv Betrüger

20 Minuten liegen exklusive Videos vor, die Fälle von Versicherungsmissbrauch dokumentieren. Sie befeuern den Streit um Observationen.

von
J. Käser

Hier wird ein Mann von einem Sozialdetektiv überführt.

Ein Mann verlässt steif und langsam eine Arztpraxis. Er stützt sich einseitig auf eine Krücke. Dann der Szenenwechsel: Am selben Tag bewegt sich der Mann vollkommen normal und frei fort, von Beeinträchtigungen oder Schmerzen keine Spur. Er begibt sich in sein Auto und fährt davon. Tatsächlich handelt es sich beim Mann um einen zu 100 Prozent als arbeitsunfähig deklarierten Versicherten. Er soll unter Fuss-, Knie- und Rückenschmerzen leiden (siehe Video oben).

In einem anderen Fall filmte ein Detektiv einen Mann bei dessen Arbeit auf einer Baustelle. Auch dieser Versicherte galt zu besagtem Zeitpunkt seit längerem als vollkommen arbeitsunfähig. Im Video ist erkennbar, wie er ohne zu zögern relativ schwere Gegenstände hebt und sich flink bewegt (siehe Video unten).

Am 25. November stimmt die Schweiz über die Sozialdetektive ab. Dieses Video entlarvt einen 100-prozentig Arbeitsunfähigen.

Die Aufnahmen sind schon etwas älter und stammen von einem Sozialdetektiv, der von einer Mitgliedsfirma des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) engagiert worden war. Sie halfen, den Mann als Versicherungsbetrüger zu entlarven. In beiden Fällen erhielten die Männer ungerechtfertigt Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung.

Darüber, ob solche Observierungen bald wieder möglich sein sollen, entscheidet das Schweizer Stimmvolk in rund zehn Tagen. Nach Entscheiden des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesgerichts mussten etwa die Invalidenversicherung (IV) und die Suva 2016 ihre langjährige Observierungspraxis einstellen.

Arbeitsunfähigkeit über mehrere Jahre attestiert

20 Minuten liegt diverses Observierungsmaterial vor, der SVV bestätigt dessen Echtheit. Dabei wurden Versicherte beobachtet, denen Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde – fälschlicherweise, wie sich im Laufe der Überwachungen herausstellte. In beiden Fällen, die die Videos zeigen, wurde den Versicherten von mehreren Ärzten über Jahre eine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Erst die Observierungen konnten die Männer überführen. Zu einem Gerichtsverfahren ist es in keinem der Fälle gekommen, sie wurden anhand eines Vergleichs gelöst – wahrscheinlich, weil die Beweislast so eindeutig war.

«Ärzte werden gezielt getäuscht»

«Es schockiert mich, dass sich Ärzte so hinters Licht führen lassen. Doch es gibt Betrüger, die sich im Internet genauestens darüber informieren, welche Beschwerden sie beschreiben müssen, um eine entsprechende Diagnose zu erhalten», sagt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Aufnahmen von Sozialdetektiven seien leider die einzige Möglichkeit, gut organisierte Versicherungsbetrüger zu entlarven. Das Verhältnis von Arzt und Patient basiere auf Vertrauen. Äusserten Ärzte Zweifel an den Beschwerden eines Patienten, komme es vor, dass der Betroffene den Arzt wechsle, um die gewünschte Diagnose zu erhalten.

«Es gibt immer wieder Leute, die viel Energie dazu aufbringen, die IV oder Unfallversicherung zu bescheissen, um zu einer Rente zu kommen. Observationen sollen abschreckend wirken. Natürlich gibt es vereinzelt leider zu Unrecht Verdächtigte, doch die gibt es bei strafrechtlichen Observationen auch», so Humbel. Um hartnäckige Betrüger zu überführen, seien Observationen das effektivste Mittel – wenn es sein müsse auch im Garten oder auf dem Golfplatz. Laut Bundesgericht seien Innenräume entgegen der Behauptung der Gegner für Sozialdetektive aber tabu, sagt Humbel.

«Observationen nur mit richterlicher Genehmigung»

Dem widerspricht Pascal Vuichard, Vizepräsident der GLP. Mehrere Rechtsexperten bestätigten, dass Observationen in Innenräume eines Privathaushaltes bei Annahme der Vorlage durchaus möglich seien, sofern sie als «frei einsehbarer Ort» gelten würden. Observationen im Allgemeinen lehnt Vuichard nicht ab: «Aber sie sollten das allerletzte Mittel bei erhärteten Verdachtsfällen sein und nur auf Grundlage einer richterlichen Genehmigung durchgeführt werden dürfen.»

Die Videos würden Extrembeispiele darstellen, in denen die Überwachungen nicht falsch seien. «Niemand findet Sozialmissbrauch gut. Wir streiten deshalb nicht über die Überwachung, aber über die Mittel und die Kompetenzen», so Vuichard. Laut dem Jungpolitiker könnten Observationen mit dem neuen Gesetz von Versicherungen relativ leicht und willkürlich angeordnet werden: «Das hat in einem Rechtsstaat keinen Platz!»

Das Referendumskomitee Versicherungsspione Nein wollte auf Anfrage von 20 Minuten keine Stellung zu den Videos beziehen.

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