Rechtlich und psychologisch problematisch«Hintergeht mich mein Crush?» – App überführt Untreue mit Handynummer
Du willst wissen, ob dein Date mit anderen chattet? Auf einer neuen Schweizer Web-App kannst du die Handynummer deines Crushs testen. Der Digital-Rechtsanwalt Martin Steiger und Psychologe Felix Hof warnen eindringlich.
Darum gehts
Mit der Plattform «matcho.me» will Eli Wegmann denjenigen helfen, die an der Treue ihres Crushs zweifeln oder nicht sicher sind, wie ernst sie oder er es meint.
Gibt man die Telefonnummer einer Person auf der Webseite ein, erfährt man, ob auch andere User*innen nach demselben Kontakt gesucht haben.
In Sachen Datenschutz sieht Rechtsanwalt Martin Steiger in der Plattform einige Probleme.
Wer hat nicht schon mal den Flirt gegooglet? Auf Social Media geschaut, mit wem der Crush befreundet ist, auf Party-Pics posiert und mit wem er oder sie schon zusammen war? «Fast alle tun das», ist sich Eli Wegmann sicher. Die 36-jährige Zürcherin hat deshalb die Plattform «matcho.me» ins Leben gerufen.
Auf der Webseite können User*innen die Handynummer ihres Schwarms eingeben und herausfinden, ob und wie oft auch andere Personen nach derselben Nummer gesucht haben. «Die Plattform ist vor allem für Frauen und Männer gedacht, die glauben, dass sie in der Beziehung oder von ihrem Flirt belogen oder betrogen werden und die Treue testen wollen. So muss man weder stalken, noch das Handy des anderen durchsuchen», erklärt die Erfinderin. Sie selbst hätte die App in Dating-Phasen gern genutzt, wenn diese schon existiert hätte: «Man trifft einfach auf komische Typen - da wäre ich froh gewesen, im Vorfeld zu wissen, was dahinter steckt.»
Ergibt die Suche nach einer Handynummer einen Treffer, kann man gegen eine Gebühr von 3,50 Franken mit der anderen Person, die die Nummer bereits gesucht hat, anonym chatten – Voraussetzung ist eine Registrierung aller Beteiligten.
«Die Seite soll zur Normalität im Dating-Leben werden»
Ist es nicht ein grosser Vertrauensbruch, wenn man heimlich die Nummer seines Dates prüft? «Was ist schlimmer, Lügner ohne ihr Wissen zu überführen oder eine belogene Person im Unwissen über diese Lüge zu lassen?», fragt Wegmann zurück. Einen Vertrauensbruch sieht sie darin nicht: «Wenn man Zweifel hat, finde ich das eine super Hilfe. So kann man gegen die eigene Paranoia ankämpfen und sich nicht dauernd in weitere Vermutungen hineinsteigern.»
«Hochproblematisch», findet dagegen Psychologe Felix Hof die Plattform matcho.me (Interview unten). Apps wie diese seien ideale Nahrung für zwischenmenschliche Schwierigkeiten, fragiles Vertrauen und grenzüberschreitendes Verhalten. Ein Vorwurf, den Wegmann entschieden von sich weist: «Mir ist es wichtig, dass nichts verborgen bleibt und man das machen kann, was man möchte. Die Seite soll zur Normalität im Dating-Leben werden und Userinnen und Usern helfen, die Wahrheit herauszufinden. Früher auf dem Dorfplatz ist man sich schliesslich auch einfach begegnet und hat sich ausgetauscht und über andere geredet - das ist ja eigentlich das Gleiche.»
«So funktioniert der Datenschutz in Europa nicht»
Anwalt Martin Steiger ist spezialisiert auf das Recht im digitalen Raum und hat für 20 Minuten einen Blick auf die Seite geworfen: «Diese Seite ist eindeutig auf einem Kollisionskurs mit dem Datenschutz!» Und weiter: «Ich bezweifle, dass «matcho.me» im Einklang mit dem europäischen Datenschutzrecht steht.» Betroffene Personen könnten Beschwerde bei einer Datenschutz-Aufsichtsbehörde erheben. «matcho.me» droht in diesem Fall eine Busse.
In den rechtlichen Hinweisen wälze «matcho.me» die Verantwortung für den Datenschutz auf die Nutzerinnen und Nutzer ab und weise jegliche Mitverantwortung von sich. «Das halte ich nicht für zulässig, die Betreiberin kann bei Datenschutzverstössen haftbar gemacht werden. Die Seite ist in mehreren Punkten nicht transparent genug oder macht widersprüchliche Angaben.»
Eli Wegmann, die mit ihren Anwälten verschiedene Szenarien durchgespielt hat, hat keine Bedenken: «Wir gehen davon aus, dass alles konform ist, denn wir verwenden oder speichern keine personenbezogene Daten.» Steiger teilt diese Ansicht nicht und hält ausserdem fest: «Im Endeffekt handelt es sich um eine Überwachungsapp – die Idee entspricht vielleicht dem Zeitgeist, aber so funktioniert der Datenschutz in Europa nicht.»
«So setzt die Erfinderin viele Menschen unter Leidensdruck»

Psychotherapeut Felix Hof findet die Plattform «hochproblematisch»: «Damit wird ein Tor für indirekte Kontrolle geöffnet.»
Photostudio in UznachFelix Hof, was halten Sie von dieser Plattform?
Ich finde sie hochproblematisch. Apps wie diese sind ideale Nahrung für zwischenmenschliche Schwierigkeiten, fragiles Vertrauen und grenzüberschreitendes Verhalten. Damit wird ein Tor für indirekte Kontrolle geöffnet, denn dann verliert man schnell das Bewusstsein von dem, was angebracht ist und dem, was schon an Stalking grenzt.
Die Plattform soll gerade während der Kennenlernphase dabei helfen, herauszufinden, ob der Flirt es ernst meint.
Das ist absoluter Quatsch und vermittelt ein falsches Bild, denn gerade in der Kennenlernphase sollte kein Misstrauen stattfinden. Diese Zeit ist dafür da, Vertrauen aufzubauen und das geschieht nur, wenn man sich aufeinander einlässt und sich so akzeptiert, wie man ist. Eine tiefe Verbindung kann nicht über gegenseitiges Kontrollieren entstehen. Es braucht Vertrauensvorschüsse und keine heimlichen Nachforschungen.
Heimlich soll es nicht sein. Die Verantwortlichen schreiben auf ihrer Webseite, dass man die betreffende Person einweihen soll, sobald man die Nummer suchen möchte.
Das ist ein Witz und wird so nicht passieren. Das steht vielmehr da, damit sich die Betreiberin rechtlich und vielleicht auch moralisch absichern kann. In Wirklichkeit wird keiner die Erlaubnis einholen, das wird immer hinterrücks passieren und das kann unheilvolle Folgen haben - für die involvierten Personen aber auch für die Beziehung. Der hintergangene Part fühlt sich infrage gestellt, stark verunsichert und vielleicht sogar verängstigt - das kann dann auch zu massiver Abwehr führen. Eine gesunde Beziehung hält so etwas in der Regel nicht aus.
Können Sie der App etwas Positives abgewinnen?
Nein, ganz im Gegenteil. Wie man es dreht und wendet, es gibt nichts, was für diese App spricht. Die Erfinderin setzt mit dieser Idee viele Menschen unter Leidensdruck. Die User und Userinnen werden sich unweigerlich selbst verletzen, denn wer auf der Suche nach auffälligem Verhalten ist, der wird immer Belege dafür finden. Das verunsichert nur noch mehr - und das nimmt die App-Betreiberin in Kauf. Sie macht Geld mit dem Kontrollverlangen der Menschen und das ist nichts Gutes.
Wer sind die Menschen, die diese Kontrolle brauchen?
Die aktive Suche nach Fehlern hat eine masochistische Komponente. Meist sind es Personen, die in früheren Beziehungen enttäuscht wurden. Auf andere reagieren sie per se verunsichert, sie suchen Bestätigung und prüfen immer wieder, was der andere sagt. Ganz nach dem Motto: «Du sagst, du liebst mich, aber ich spüre es nicht!».
Was kann man machen, wenn man an den Aussagen der anderen Person zweifelt, diese aber nicht kontrollieren will?
Man sollte das Thema ansprechen - egal ob man in der Kennenlernphase oder in einer Beziehung ist. Sobald man unsicher ist, sollte man das Gespräch suchen und mit dem Gegenüber gewisse Punkte ausmachen: Was geht? Was darf man? Wohin führt das alles? Das ist essentiell, um die Beziehung gesund weiterführen zu können.
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