Bescheren Sechseläuten-Schwänzer Keller-Sutter neue Steuern?

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Hochsee-MatrosenBescheren Sechseläuten-Schwänzer Keller-Sutter neue Steuern?

Ein Gesetzesparagraf zur Besteuerung von Seeleuten sorgte im Parlament für heftige Debatten. Finanzministerin Keller-Sutter verlor die Abstimmung fast gegen die bürgerlichen Parteien – doch das Sechseläuten bescherte ihr und den Linken einen Triumph.

Das Parlament beugte sich am Montag über das «Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis». Doch für Aufregung sorgte ein darin enthaltener Paragraf zur Besteuerung von Matrosinnen und Matrosen.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter forderte, dass der Gesetzesparagraf präzisiert werde. Unterstützung bekam sie aus linker Seite.
Wie Recherchen des «<a target="_blank" href="https://www.tagesanzeiger.ch/svp-und-fdp-scheitern-mit-steuerprivileg-fuer-reedereien-616961700616">Tages-Anzeiger</a>» zeigen, scheinen die Interpretationen des Gesetzesparagrafen nämlich zwischen den Behörden und den Reedereien auseinanderzugehen.
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Das Parlament beugte sich am Montag über das «Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis». Doch für Aufregung sorgte ein darin enthaltener Paragraf zur Besteuerung von Matrosinnen und Matrosen.

TDG

Darum gehts

  • Am Montag fand das Sechseläuten in Zürich statt – doch gleichzeitig begann auch die Sondersession im Nationalrat.

  • Dabei sorgte eine Debatte zur Besteuerung von Matrosinnen und Matrosen für Chaos.

  • Weil einige bürgerliche Nationalräte und -rätinnen die Session zugunsten des Sechseläutens schwänzten und somit nicht abstimmten, konnten sich Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Mittelinks durchsetzen.

Eigentlich ging es nur um eine kleine Debatte, die ausser ein paar Fachleuten kaum jemand auf dem Radar hatte. Doch weil einige bürgerliche Nationalrätinnen und -räte, statt in Bern, am Sechseläuten in Zürich waren, schlägt das «Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis» plötzlich hohe Wellen.

Denn die Abwesenheiten führten bei einem umstrittenen Paragrafen über die Besteuerung von Matrosinnen und Matrosen zu einem überraschenden Triumph von Linken und Mitte. Was die abwesenden Parlamentsmitglieder zum Ausgang der Abstimmung sagen, ist nicht bekannt – alle Anfragen von 20 Minuten blieben unbeantwortet.

Darum geht es beim umstrittenen Paragrafen

Der Paragraf regelt, ob Seeleute wie Kapitäne oder Matrosen, die auf Schiffen von Schweizer Reedereien arbeiten, in der Schweiz Quellensteuer (siehe Box) bezahlen müssen. Ein komplexes Thema, wie Recherchen des «Tages-Anzeiger» zeigen. Im Grunde bestehe das Hauptproblem darin, dass der Gesetzesparagraf, der dies regelt, unpräzise formuliert sei und darum von verschiedenen Kantonen, Reedern und dem Bund je nach Gusto anders interpretiert werde.

Was sind Quellensteuern?

Personen, die für einen Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz tätig sind, jedoch nicht hier wohnen (etwa Grenzgängerinnen oder Wochenaufenthalter) oder ausländische Arbeitnehmende ohne Niederlassungsbewilligung, die in der Schweiz wohnen, müssen Quellensteuer zahlen. Dieser wird sofort dem Lohn abgezogen, die Höhe variiert je nach Kanton.

Das wollte der Bundesrat

Finanzministerin Karin Keller-Sutter wollte den Paragrafen deshalb präziser formulieren. Nach Verständnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung gilt nämlich heute: Seeleute von Schweizer Reedereien, die auf Schiffen unter Schweizer Flagge fahren, sind steuerbefreit – für Seeleute unter ausländischer Flagge müssten Schweizer Reeder jedoch Quellensteuer bezahlen. Und das sei schon seit mindestens drei Jahrzehnten so, sagt das Finanzdepartement.

So drohte der Reederei-Verband

Die Lobby der Reedereien sieht das anders: Sie forderte die Wirtschaftskommission in einem Brief dazu auf, auf die Präzisierung zu verzichten. Die Gesetzesauslegung der Finanzministerin sei nämlich falsch – es gebe heute keine Steuerpflicht für Hochseeleute. Keller-Sutters Präzisierung würde in Wahrheit dazu führen, dass die Reedereien für ihre Seeleute neu steuerpflichtig würden, warnte die Lobby. Würde die Änderung vom Parlament gutgeheissen, würden die Reedereien «ihre Aktivitäten unverzüglich ins Ausland verlagern», drohten die Reedereien. Die Warnung stiess bei den Bürgerlichen in der Wirtschaftskommission auf offene Ohren.

Mitte kippt überraschend

Montagnachmittag, Sondersession des Nationalrats: Keller-Sutter und die Linken versuchen, sich gegen die Bürgerlichen und den Reederei-Verband zu wehren. Die Lage schien eigentlich aussichtslos, doch plötzlich unterstützten auch die Mitte-Fraktion und die GLP die Finanzministerin. Es gebe einem «schon etwas zu denken», dass über Jahre «Steuern nicht eingezogen werden, obwohl diese aufgrund der Gesetzeslage eingezogen werden müssten», sagte Mitte-Nationalrat Leo Müller im Rat.

Showdown: Deshalb siegte letztlich der Vorschlag des Bundesrats

Die Befürworter der Präzisierung waren noch immer in der Unterzahl gegen die geschlossene SVP- und FDP-Fraktion sowie eine Minderheit der Mitte. Wäre da nicht das Sechseläuten in Zürich gewesen, für das einige der bürgerlichen Nationalräte und -rätinnen die Sondersession schwänzten. Plötzlich gelang es darum Keller-Sutter und den Linken, sich äusserst knapp mit 92 zu 90 Stimmen durchzusetzen.

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