Hunderte Anzeigen gegen Auto-Poser in der Deutschschweiz

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Tuner sind sauerHunderte Anzeigen gegen Auto-Poser in der Deutschschweiz

Die hiesigen Polizeikorps stellten seit Anfang Jahr bereits über 100 getunte Autos sicher. Die Szene nervt sich über die Kontrolloffensive.

Laut dem bekannten Schweizer Tuner Began Gergoci lassen sich die Poser kaum von ihrem Hobby abbringen.
Diese Autos stellte die Luzerner Polizei am Wochenende sicher.
Die Polizei kontrolliert die Autos auf Manipulationen. (Archivbild)
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Laut dem bekannten Schweizer Tuner Began Gergoci lassen sich die Poser kaum von ihrem Hobby abbringen.

PD

Darum gehts

  • Etliche Kantone haben die Kontrollen verschärft, um Auto-Poser zu stoppen.
  • Ein Grund ist Corona: Anwohner beschweren sich vermehrt bei der Polizei über den Lärm.
  • Anzeigen gibt es fürs Aufheulenlassen des Motors oder für illegales Tuning.
  • Ein Tuner spricht von «Schikane».

14 Autos beschlagnahmte die Luzerner Polizei am Wochenende – teils war der Auspuff frisiert oder das Fahrwerk tiefer gelegt. Gleichzeitig zog auch die Zürcher Stadtpolizei fünf getunte Autos aus dem Verkehr.

Die Meldungen von solchen Kontrollen häufen sich in der letzten Zeit. Allein in der Deutschschweiz kommunizierten die Polizeikorps und Staatsanwaltschaften seit Anfang Jahr mindestens 577 Verzeigungen, weil Fahrzeuge abgeändert wurden oder weil die Fahrer unnötigen Lärm machten, etwa den Motor aufheulen liessen. Dabei stellten die Beamten mindestens 113 getunte Autos sicher (siehe Tabelle unten).

Lockdown als Grund

Auffällig viele Fälle meldet die Kantonspolizei St. Gallen. «Wir haben die Kontrollen weiter intensiviert», sagt Sprecher Florian Schneider. Dies habe auch mit der Corona-Situation zu tun: «Wir verzeichnen mehr Lärmklagen von Anwohnern. Zudem ist davon auszugehen, dass auch die Tuner dieses Jahr eher zu Hause bleiben und ihre über den Winter aufgemotzten Autos vorführen.»

Die Polizei kontrolliere deshalb bekannte Hotspots, beispielsweise rund um Bahnhöfe. Angehalten würden in erster Linie jüngere Männer «aus allen Herren Ländern» mit potenten Fahrzeugen.

«Polizei soll lieber Pädophile jagen»

Die vermehrten Kontrollen machen den Tunern zu schaffen. Den BMW von N. S.* etwa beschlagnahmte die Berner Polizei im Juli bei einer Kontrolle. Inzwischen hat er sein Auto zurück – die Auspuffanlage und andere modifizierte Teile seien ihm aber weggenommen worden. «Jetzt sind alle Teile original.» Er rechnet mit einer Busse und Kosten von 2000 bis 3000 Franken.

Künftig will er die Modifikationen beim Strassenverkehrsamt anmelden. «Es wird noch lauter als vorher, einfach legal.» Die Kontrolloffensive findet er unnötig: «Die Tuning-Szene ist stark gewachsen. Wegen Corona ist es der Polizei langweilig, weshalb sie uns schikaniert», sagt S. «Sie sollen lieber Pädophile jagen», sagt der BMW-Fan.

So klingt das Auto von S., wenn er aufs Gas drückt.

Privat

Auch der bekannte Schweizer Tuner Began Gergoci sagt, die Anwohner seien in der Corona-Zeit empfindlicher geworden. Die Polizei übertreibe es derzeit mit den Kontrollen: «Sie gibt auch viele Autos zurück, weil sie nichts findet. Und es gibt auch Autos, die ab Werk laut sind.» Die Szene sei extrem gewachsen, entsprechend gebe es auch mehr Poser. «Sie nehmen eine Busse von 400 bis 1000 Franken in Kauf.» Werde wie in Luzern mehr kontrolliert, weiche man auf andere Städte aus. Für viele sei das Auto zum Hobby geworden: «Es gibt inzwischen sogar Kredite, um das Auto zu tunen.» Man dürfe nicht alle Tuner in einen Topf werfen, sagt Gergoci: «Nur weil man das Auto liebt, ist man noch lange kein Raser.»

«Lernen über das Portemonnaie»

Laut dem St. Galler Polizeisprecher Florian Schneider liegt es in der Natur der Sache, dass die Betroffenen keine Freude an den Kontrollen haben: «Wir machen uns mit dem hohen Kontrolldruck nicht nur Freunde. Aber wir wollen das Problem lösen, da gewisse Modifikationen wie Fahrwerksveränderungen auch die Verkehrssicherheit gefährden.»

Durch die Kontrollen könnten sich die Poser-Hotspots zwar verlagern, langfristig zeigten konsequente Kontrollen und Führerausweisentzüge aber Wirkung, sagt Schneider: «Manche lernen es nur über das Portemonnaie.»

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