Sinkende NachfrageHunderttausende Schweizer Impfdosen laufen im Mai ab
Die Nachfrage nach Impfungen hat abgenommen, die vierte Impfung ist aktuell nicht zugelassen. Bund und Kantone sitzen nun auf überschüssigen Impfdosen.
Darum gehts
Gähnende Leere am Dienstagmorgen im Impftram beim Bellevue. Das anwesende Personal im weissen Kittel bestätigt dem Besucher auf Anfrage: Es gebe wenig zu tun. Und: Abgelaufene Impfdosen müssten entsorgt werden. Auch im Impfzentrum der Universität Zürich beim Hirschengraben sind die Mitarbeitenden nicht ausgelastet. Das Impfzelt beim Triemlispital hat unregelmässig geöffnet.
Die meisten Personen sind dreimal geimpft, eine weitere Auffrisch-Impfung ist aktuell nicht zugelassen. Deshalb ist die Nachfrage nach der Covid-Impfung stark gesunken. Und nun sitzen Bund und Kantone auf einem Vorrat an Impfdosen, wie Behörden auf Anfrage bestätigen.
Bund versucht ablaufende Impfdosen zu retten
«Aktuell ist es so, dass Mitte Mai rund 400’000 Impfdosen im Lager der Armeeapotheke gemäss den aktuellen Verfallsdaten ablaufen», sagt Simon Ming, Sprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Der Bund suche jedoch mit Nachdruck eine Lösung, wie er diese 400’000 Impfdosen dennoch verwenden kann. Dazu ist er in Kontakt mit den Herstellerfirmen, da es möglicherweise Spielraum bei den Verfalldaten gibt.
Haltbarkeit und Kosten von Impfdosen
Auch der Kanton Luzern bestätigt, dass überschüssige Impfdosen teilweise nicht mehr verwertet werden können. «Impfdosen müssen immer wieder weggeworfen werden, weil sie das Ablaufdatum überschreiten», sagt David Dürr, Leiter der Dienststelle Gesundheit und Sport. Auch wurden im Kanton Luzern wegen der geringen Nachfrage bereits mehrere Impfzentren geschlossen. Ebenfalls von überschüssigen Impfdosen betroffen ist der Kanton St. Gallen. Es müssten jedoch nur «vereinzelt» Impfdosen weggeworfen werden, sagt Sprecherin Olivia Meier. Anna Lüthi, Sprecherin des Basler Gesundheitsdepartements, sagt: «Generell werden beim Bund immer nur so viele Impfdosen bestellt, wie zum Impfen verplant wurden. So stellen wir einen optimalen und umsichtigen Umgang mit dem Impfstoff sicher.»
6,4 Millionen Impfdosen sind noch an Lager
Im Kanton Zürich berichten Besucher von Impfzentren, dass Dosen entsorgt werden müssten. Sprecher der Gesundheitsdirektion Jérôme Weber bestätigt, dass vereinzelt Dosen wegen der rückläufigen Impfnachfrage weggeworfen werden müssen. Übrige Dosen an den Bund zurückschicken sei jedoch keine Option. Das sagt auch BAG-Sprecher Simon Ming: «Die Kantone bestellen beim Bund Impfdosen nach ihren eigenen Berechnungen. Zurücknehmen kann der Bund die Dosen nicht, die Kantone müssen selber dafür sorgen, dass sie maximal effizient innerhalb des Kantons verwendet werden oder sie dann eben entsorgen.»
Insgesamt hat der Bund bisher 20,2 Millionen Impfdosen geliefert bekommen, davon wurden 15,7 Millionen Dosen verimpft. Immer noch an Lager befinden sich 6,4 Millionen Dosen. «Der Bund will sicherstellen, dass jede Person, die eine Impfung braucht, diese auch bekommt», sagt Simon Ming. Die Versorgungssicherheit habe Priorität, gleichzeitig wolle man Überschüsse vermeiden, die dann entsorgt werden müssen. «Das ist eine Gratwanderung.»
15 Millionen Dosen könnten ans Ausland gehen
Der Bund plane jedoch, diesen Frühling bis zu 15 Millionen Impfdosen an bedürftige Länder zu spenden, sollten diese nicht für die Verimpfung in der Schweiz eingeplant werden können, so Ming. «Dies betrifft insbesondere Impfdosen, die bestellt und bezahlt, aber noch nicht in die Schweiz geliefert wurden.» So seien bisher vier Millionen AstraZeneca-Impfdosen gespendet worden.
Dass überschüssige Impfdosen im Abfall landen und nicht als weitere Auffrischungsimpfung verabreicht werden können, sorgt auf Twitter bei manchen für Unmut. So beschwert sich etwa ein User darüber, dass man ihm trotz Attest die vierte Impfung verweigert habe. «Mir wurde bestätigt, dass jeden Abend Impfdosen weggeworfen werden», schreibt er. Ähnliches hat ein anderer User im Impfzentrum beim Triemlispital erlebt.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?
Hier findest du Hilfe:
BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00
BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92
Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143