Bund soll mehr zahlen«Hungersnöte werden auch Auswirkungen auf die Schweiz haben»
Schon vor Corona war die Lage dramatisch. Mit dem Krieg in der Ukraine hat der Hunger auf der Welt fast unvorstellbare Ausmasse angenommen. Jetzt mehren sich Stimmen, dass die Schweiz mehr tun müsse.
Die Schweizer Verhandlungsgeschicke im Ukraine-Krieg sind momentan nicht gefragt, Moskau lehnte dies bisher mit Verweis auf die auch von der Schweiz getragenen Sanktionen gegen Russland ab. Das könnte eine Chance sein, sich anderswo verstärkt einzubringen.
«Die Schweiz hat bereits sehr viel direkt für die Ukraine getan und ist weiterhin stark engagiert», sagt Alt-Botschafter Toni Frisch. «Krieg und Energiekrise haben aber die globalen Auswirkungen, wie die drohenden Hungersnöte in Afrika und Asien – ausgelöst durch extreme Dürren und blockierte Einfuhren – in den Hintergrund verdrängt. Entsprechend wichtig wäre es jetzt, dass die Schweiz sich auf ihre weiteren humanitären Verpflichtungen besinnt und sich im Kampf gegen den weltweiten Hunger stark macht.»
Dieser hat unvorstellbare Ausmasse angenommen. Die Uno befürchtet Hunderttausende von Verhungernden weltweit. «Das könnte über kurz oder lang auch Auswirkungen auf die Schweiz haben», so Frisch. Er verweist auf den erhöhten Migrationsdruck etwa in und aus afrikanischen Ländern, auf befürchtete politische Unruhen und eine sich verschärfende Sicherheitslage in Europa.
Mit dieser Beurteilung ist der ehemalige OSZE-Koordinator für humanitäre Fragen in der Ukraine bei weitem nicht allein. Auch verschiedene Schweizer Hilfswerke teilen diese Befürchtungen.
Ein Riesenloch in den UN-Kassen
Gut 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte stammen aus der Ukraine und Russland. Der Krieg in der Ukraine und die zeitweise Blockade der Ausfuhr, vor allem aus der Ukraine, hat die weltweite Nahrungsmittelversorgung massiv ins Wanken gebracht. Gleichzeitig klafft in den UN-Kassen für humanitäre Hilfe ein Riesenloch: Bis Ende Dezember fehlen zur Bewältigung der global gestiegenen Not 32 Milliarden Dollar. Allein das Welternährungsprogramm bräuchte 22 Milliarden Dollar, zur Verfügung stehen ihm aber bislang nur zehn Milliarden.
«Ein viel klareres Zeichen setzen»
«Die Schweiz müsste jetzt rasch und gezielt intervenieren: mit der kurzfristigen Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel, aber auch mit der Einleitung mittel- und langfristiger Massnahmen», sagt Frisch.
Bei ihm drückt eine gewisse Enttäuschung durch, dass die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) wegen fehlender Mittel bisher nicht mehr tun konnte. «Von Seite der Deza sollte alles unternommen werden, die Lage zu entschärfen», findet er. «Die Schweiz sollte mit ihrer Verpflichtung für die humanitäre Hilfe ein viel klareres Zeichen setzen.»
Gehör bei den Kommissionen
Immerhin: Die Beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit, die den Bundesrat in Fragen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit beratschlagt, hat die drückende globale Hungerkatastrophe auf dem Radar.
Ihr Präsident Felix Gutzwiller bestätigt: Man prüfe weitere mögliche Schritte der Schweiz, seien dies die Bereitstellung finanzieller Mittel und Massnahmen wie nachhaltige Landwirtschaftsprojekte.
Und auch die Aussenpolitische Kommission APK, der Sachbereiche wie die Schweizer humanitäre Hilfe zugewiesen sind, drängt auf Massnahmen: Sie hat ein Postulat verabschiedet und wird das Thema auch im Europarat mit einbringen.