«Ich bin Legastheniker»

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Bastien Girod«Ich bin Legastheniker»

Birkenstöcke hat er keine, dafür Adiletten. Er ist überzeugter Pazifist, kann aber auch zuschlagen. Der Grüne Bastien Girod lässt sich ungern in eine Schublade stecken.

von
J. Büchi

«Es wäre grossartig, wenn die Vegi-Industrie einmal einen Parmaschinken auf Tofubasis entwickeln würde», sagt Bastien Girod, während er die Speisekarte in der Pizzeria Thurm studiert. Eigentlich sei er ja so gut wie Vegetarier. Aber diesem Schinken, dem könne er einfach nicht widerstehen. So bestellt der junge Nationalrat das, was er in dem Lokal häufig bestellt: Eine Pizza mit Cherrytomaten, Rucola, Büffelmozzarella, Mascarpone – und eben, Parmaschinken. Dazu gibts ein Glas Hahnenwasser.

Girod weiss, dass er als Grüner unter Beobachtung steht, was seinen Lebensstil angeht – es ist ihm egal. Er versuche zwar, seinen ökologischen Fussabdruck so klein wie möglich zu halten. «Sogar ich finde es aber sehr kompliziert, immer die fairsten Produkte zu kaufen.» Eigentlich müsste die Wirtschaft darum besorgt sein, dass die Waren minimale ökologische und soziale Standards einhalten, «und die Konsumenten müssten bedenkenlos einkaufen können», fordert Girod. Dies ist ein zentrales Anliegen seiner Politik. Der Grüne verweist auf die kürzlich lancierte Fair-Food-Initiative seiner Partei, die Schweizer Standards für alle importierten Lebensmittel verlangt.

K.o. beim Boxen

Nicht nur beim Pizzabelag bricht Girod gern mit den Klischees, die andere auf ihn projizieren. Schon als Gymnasiast sei er jeweils in einem Keller mit Büezern boxen gegangen, weil er Mühe mit dem intellektuellen Image der Kantischüler gehabt habe. Er, der erklärte Pazifist, kannte mit seinen Gegnern kein Pardon – und sie mit ihm auch nicht. «Einmal bin ich k.o. gegangen», erzählt der 33-Jährige lachend. Er habe den linken Haken seines Gegners einfach nicht kommen sehen.

Die Boxhandschuhe hat er mittlerweile an den Nagel gehängt. Das Bedürfnis, hin und wieder Dampf abzulassen, ist geblieben. «Politik ist ja eine unnatürliche Situation», so Girod. «Früher hat man sich bei Konflikten ufe Gring gäh oder ist davongerannt, heute kann man sich nicht mehr körperlich abreagieren.» Nach intensiven Debatten absolviere er deshalb Klimmzüge an einer Stange auf der Loggia seiner Wohnung. Zum berühmten Waschbrettbauch trägt Girod übrigens keine Birkenstöcke, zuhause sind Adlietten das Schuhwerk seiner Wahl.

«Hast du abgeschrieben?»

Das tägliche Fitnessprogramm ist mit ein Grund dafür, weshalb Girod nach einem anstrengenden Sessionstag oft nach Hause pendelt, statt in Bern zu übernachten. Natürlich aber nicht der einzige: Seit zwei Jahren ist er mit der ehemaligen Zürcher Schönheitskönigin Ellen Tkatch verheiratet, die heute im Bereich Social Media arbeitet. Kennen gelernt haben sich die beiden 2009, als sie sich für ein Zimmer in Girods WG bewarb. Das Zimmer bekam eine andere, doch zwischen den beiden funkte es. Die Beziehung hielt, auch als Girod kurz darauf einen Forschungsaufenthalt in Holland antrat. Für Ellen pendelte er regelmässig mit dem Zug nach Zürich. Je acht Stunden hin und wieder zurück.

Nicht nur privat läuft es Girod rund: Er hat einen Doktortitel in Umweltnaturwissenschaften, ist Vize-Präsident seiner Partei. Selbstverständlich ist diese Karriere für ihn nicht: «Ich bin Legastheniker», so Girod. «Als ich im Diktat in der Schule 15 Fehler hatte – mehr als alle anderen –, kam der Klassenlehrer zu mir und sagte: Bastien, hast du wieder abgeschrieben? Er wusste, sonst hätte ich doppelt so viele Fehler gemacht.» Heute lässt sich der Senkrechtstarter von seiner Legasthenie nicht mehr einschränken. «Für etwas gibt es Rechtschreibprogramme und Kollegen, die mir Texte gegenlesen.»

«Eis go zieh mit...»

Während den Parlamentssessionen trifft sich 20 Minuten jeweils mit bekannten und weniger bekannten Politikern verschiedener Parteien auf ein Bier. Oder auch auf ein Glas Wein, einen Kaffee oder einen Himbeersirup. Hauptsache, es entstehen spannende Gespräche, die auch einen Einblick in die Persönlichkeiten hinter der politischen Arbeit erlauben.

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