Militärbasis nahe Polen – «Krater gross wie ein Swimmingpool» – Freiwilliger Kämpfer überlebt Beschuss

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Militärbasis nahe Polen«Krater gross wie ein Swimmingpool» – Freiwilliger Kämpfer überlebt Beschuss

Über zwei Dutzend Raketen, abgefeuert aus Westrussland, schlugen am Wochenende auf der ukrainischen Militärbasis in Jaworiw nahe Polen ein. Joe*, der freiwillig in den Krieg zog, erlebte den Angriff hautnah mit. 

«Die Sch*** wurde richtig zusammengeschossen» – kurz nach dem russischen Angriff auf die Basis Jaworiw, wo  die Nato mit der ukrainischen Armee in der Vergangenheit gemeinsame Übungen durchführte. 

zvg/ 20 Minuten  

«Ich bin um mein Leben gerannt.» Der junge Amerikaner mit ukrainischen Wurzeln spricht vom russischen Angriff auf den Militärstützpunkt in Jaworiw nahe der polnischen Grenze vom frühen Sonntagmorgen. 20 Minuten trifft ihn noch am gleichen Tag. 

Joe* wirkt ruhig, vielleicht etwas zu ruhig. Einer seiner Handballen ist stark aufgeschürft. Er sei als freiwilliger Kämpfer in die Ukraine gereist und kaum eine Woche auf der Basis gewesen, sagt er mit dickem Ostküsten-Akzent. 

«Raketen schlugen links und rechts ein»

Man habe die Ausländer je nach Erfahrung in Gruppen aufgeteilt, in territoriale Verteidigung oder Kampfsituationen trainiert. «Dann kamen die Russen. Und das Chaos brach aus.» Er sei aus der Baracke gerannt und in Deckung gegangen. «Die Raketen schlugen links und rechts von mir ein, hinterliessen Krater so gross wie ein Swimmingpool.»

Waffen-, Munitionslager und das Ausbildungszentrum auf dem Gelände seien zerstört worden. Laut US-Pentagon sind über zwei Dutzend Raketen von Westrussland aus auf das Gelände abgefeuert worden. 

Auch Ausländer unter den Toten?

Ukrainische Behörden sprechen von mindestens 35 Toten und 134 Verletzten. «Ich glaube, es waren viel mehr», sagt Joe. Auch andere Quellen berichten 20 Minuten von um einiges höheren Opferzahlen, darunter auch viele ausländische Freiwillige. Es sollen sich über Tausend freiwillige Kämpfer aus dem Ausland auf der Basis befunden haben. Unabhängig überprüfen lässt sich dies nicht, die ukrainische Seite hüllt sich diesbezüglich in Schweigen.

Ein Bus habe ihn und 45 andere Ausländer weggebracht, er sei schliesslich wieder nach Polen übergesetzt, so Joe. Er ist unschlüssig, ob er in die Ukraine zurückkehren wird. «Ich komme mir schwach vor, wenn ich es nicht tue.»

Angegriffener Stützpunkt von Russland unterwandert?

Einige Tage später redet 20 Minuten wieder mit Joe. Er ist immer noch in Polen. Ihm sei mittlerweile klar geworden, dass es eine militärische Ausbildung und Kampferfahrung brauche, um in diesen Krieg zu ziehen. 
«Das habe ich nicht. Aber helfen will ich weiterhin. Dass so viele Zivilisten sterben, ist für mich das Schlimmste. Die Ukraine erlebt derzeit einen 9/11 – aber jeden Tag!»

Es sei, heisst es, das erste Mal gewesen, dass Russland bei dem Angriff Präzisionslenkwaffen eingesetzt habe. Dazu gibt es Gerüchte, wonach die Basis vom russischen Geheimdienst und russischen Saboteuren unterwandert war.

«Sonst werdet ihr zur Belastung»

Demnach wurde kurz vor dem Angriff ein Mann beobachtet, der den Stützpunkt mit einem Laptop verlassen habe. «Das würde mich überhaupt nicht überraschen», sagt Joe dazu. Aber auch dies lässt sich kaum überprüfen. 

Was rät Joe anderen Freiwilligen, die in den Ukraine-Krieg ziehen wollen? «Wie gesagt, kämpft, wenn ihr wirklich die Ausbildung und Erfahrung habt, sonst werdet ihr eher zur Belastung», sagt er. «Sonst engagiert euch anders. Bringt Munition her, Nachtsichtgeräte und dergleichen. Aber tut etwas, denn diese Sache ist zu wichtig. Der russischen Aggression muss entgegengetreten werden. Nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa. Nichtstun ist einfach keine Option.»

«Die Nato könnte wenigstens die eigenen Jungs unterstützen» 

Das gilt in Joes Augen erst recht für das westliche Verteidigungsbündnis Nato. «Weil die Ukraine kein Mitglied ist, bleibt sie passiv, schickt keine Kampfjets, richtet keine No-Fly-Zone ein? Die Ukraine ist flächenmässig das zweitgrösste Land Europas, da kann sie nicht einfach zuschauen!» Jetzt würden die Bürger von Nato-Mitgliedstaaten den Kampf für die Allianz übernehmen – «wenigstens die eigenen Jungs könnte die Nato unterstützen», so Joe.

Er sei sich bewusst, dass sich der Krieg mit einem Einschalten der Nato in der Ukraine zu einem weltweiten Flächenbrand ausweiten könnte. Dennoch findet er: «Wir dürfen davor nicht immer nur Angst haben. Wir müssen Wladimir Putin zu verstehen geben, dass unsere Nuklearwaffen mächtiger und unsere Kampfkraft stärker sind.»

Die Erpressung durch Moskau müsse aufhören, sagt der Trump-Anhänger und wiederholt dessen von Ronald Reagan übernommenes Mantra: «Frieden durch Stärke.» Unter den US-Freiwilligen ist er nicht der einzige, der so denkt. 

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