Shitstorm für Journalistin«Ich löse meine Probleme ganz oft mit Alkohol»
Die Journalistin Carolin von der Groeben (27) gerät nach einem Selbstversuch in einen Shitstorm. Kritiker werfen ihr vor, ihren eigenen exzessiven Alkoholkonsum zu verharmlosen und damit Alkoholabhängigkeit zu normalisieren.
Darum gehts
Das Bier nach der Arbeit, der Negroni in der Sonne und ein Glas Wein zum Essen: Alkohol gehört für viele Menschen zum Alltag. Ganz ähnlich geht es der deutschen Journalistin Carolin von der Groeben (27), die für «Y-Kollektiv» in einem Selbstversuch 30 Tage auf Alkohol verzichtete. Im Videotagebuch sagt sie: «Ich habe mit 15 angefangen zu trinken und im Grunde nie damit aufgehört.»
Die Dok polarisiert. Auf Social Media werfen Zuschauerinnen und Zuschauer von der Groeben vor, den eigenen Alkoholkonsum zu relativieren, zu rechtfertigen und zu normalisieren. Obwohl Suchtexperten ihr einen problematischen Umgang mit Alkohol bescheinigt hätten (siehe Box), habe sie die entsprechende Stelle im Film rausgeschnitten und gehe auch nicht weiter darauf ein. Um herauszufinden, ob die Kritik angebracht ist, legt 20 Minuten einige Aussagen einem Experten für Alkoholabhängigkeit von Sucht Schweiz vor.
Carolin von der Groeben: «Ich weiss, dass 30 Tage nüchtern bleiben für viele Menschen keine Herausforderung ist. Für mich aber schon. Um mich herum trinken alle weiter. Und ich merke: Nicht trinken ist gar nicht so leicht. Alkohol gehört bei mir einfach dazu.»
Sucht Schweiz: Tatsächlich gehört Alkohol in unserer Kultur in vielen geselligen Momenten unseres Lebens dazu. In anderen Kulturen, vor allem ausserhalb Europas und den Industrieländern, ist dies nicht so stark der Fall. In gewissen Milieus gehört der Alkohol stark zum täglichen Leben. Dort ist das Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit nicht zu unterschätzen. Und tatsächlich ist es schwierig, sich an die Nüchternheit zu halten, wenn das Umfeld ständig Alkoholanreize aussendet.
Alkohol ist in gewissen Kreisen ein bisschen so wie ein Hund beim Spazierengehen: Ohne geht auch, aber mit macht einfach mehr Spass.
Sucht Schweiz: Gerade weil der Alkoholkonsum zunächst die erwünschten Effekte produziert und alle anderen Alternativen als weniger spassig stigmatisiert sind, wird der Konsum verharmlost. Wenn er nicht verharmlost würde, müsste man ja das Verhalten ändern, was als mühsam erscheint. Je grösser das Alkoholproblem ist, desto stärker wird dieses von der betroffenen Person verleugnet.
«Die Faustregel, wann Alkoholkonsum als risikoarm gilt, ist so weit weg von meiner Lebensrealität, dass ich die nicht ernst nehmen kann.»
Sucht Schweiz: Wenn man einmal «so weit weg vom risikoarmen Konsum» ist, dass man die Faustregeln nicht mehr ernst nehmen kann, dann ist die Gesundheit wohl schon stark gefährdet. Das heisst, dass beim Rauschtrinken die Unfallgefahr massiv zunimmt und der starke Konsum im Körper Schäden anrichtet. Das Krebsrisiko und das Risiko für Leberschäden ist stark erhöht und das Risiko für eine spätere Abhängigkeit ebenso.
«Ich bin zu einer Filmpremiere eingeladen. (...) Ich muss mit einem Cola light anstossen, das fühlt sich richtig scheisse an.»
Sucht Schweiz: Es ist tatsächlich für viele Menschen so, dass sie Schwierigkeiten haben, auf andere Menschen zuzugehen oder Spass zu haben, wenn sie keinen Alkohol getrunken haben. Wenn Alkohol dabei die einzige Möglichkeit ist, um sich zu öffnen, dann scheint das schon tragisch.
Am Tag zehn des alkoholfreien Monats: «Ich habe das Gefühl, meine Haut ist ein bisschen besser geworden, mein Gesicht ist ein bisschen schlanker. Aber wisst ihr, wogegen ich das gerne eintauschen würde? Gegen einen kleinen Rausch.»
Sucht Schweiz: Die meisten Menschen, die zum Beispiel beim Dry January mitmachen, berichten von den positiven Erfahrungen und würden diese nicht mehr gegen den starken Konsum eintauschen wollen. Stark trinkende Personen – etwa an vier Tagen pro Woche grosse Mengen – hingegen sollten dies nicht ohne Begleitung tun, denn es können Entzugsprobleme auftreten oder sie können aufgrund der schlechten Erfahrungen den Alkoholkonsum danach noch verstärken.
«Ich würde jetzt gerne schlafen, es ist 22 Uhr. Aber ich habe krass Stress und merke, dass ich gar nicht runterkomme. Ich würde jetzt eigentlich was trinken. Ich glaube nicht, dass ich ein Problem mit Alkohol habe, ich glaube vielmehr, dass ich ganz oft meine Probleme mit Alkohol löse. Ich habe doch das Recht, mich so ein bisschen runter zu holen mit einem Glas Wein und mich von meinem stressigen Tag zu erholen.»
Sucht Schweiz: Wenn man ohne Alkohol nicht mehr schlafen kann, ist das ein Indiz, dass ein Alkoholproblem vorliegen könnte. Und wie gesagt, wenn man mit Alkohol Probleme lösen muss, dann steigt das Risiko einer Alkoholabhängigkeit. Zudem: Mit Alkohol fällt manchen das Einschlafen leichter, aber der Schlaf selber – vor allem das Durchschlafen – ist schlechter als ohne Alkohol. Im Endeffekt ist die Erholung mit Alkohol also schlechter.
Auf eine Anfrage von 20 Minuten haben weder das Y-Kollektiv, noch Carolin von der Groeben reagiert.