Schneeballsystem im Kanton Baselland«War entsetzt, als ich den Brief der Staatsanwaltschaft öffnete»
Ein Baselbieter Unternehmer soll mit einem Schneeballsystem mindestens 40 Personen um insgesamt mehrere Millionen Franken erleichtert haben. Die Anleger rekrutierte er über sein Umfeld, zeigte sich aber später selber an.
Darum gehts
Ein Vermögensverwalter steht unter dem Verdacht, um die 40 Personen um mehrere Millionen Franken erleichtert zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Baselland ermittelt wegen gewerbsmässigen Betrugs, qualifizierter Veruntreuung und möglicher weiterer Delikte gegen den Mann.
Der Beschuldigte hatte sich im November 2020 selbst angezeigt, nachdem Anleger Verdacht schöpften.
Ein selbständiger Baselbieter Vermögensverwalter hat über Jahre hinweg mindestens 40 Personen um insgesamt mehrere Millionen Franken geschädigt. Der 62-Jährige soll ein Schneeballsystem betrieben haben, wie Geschädigte ihm vorwerfen. Die Staatsanwaltschaft Baselland ermittelt inzwischen wegen gewerbsmässigen Betrugs, qualifizierter Veruntreuung und möglicher weiterer Delikte. Im November 2020 hat sich der mutmassliche Betrüger selbst angezeigt und die Ermittlungen ins Rollen gebracht.
Die Baselbieter Staatsanwaltschaft äusserte sich auf Anfrage nicht zum laufenden Verfahren. 20 Minuten hat aber über einen Geschädigten Einblick in das Ermittlungsverfahren erhalten.
«Ich war schockiert, als ich im Dezember den eingeschriebenen Brief der Staatsanwaltschaft öffnete und mit Entsetzen feststellen musste, dass ich Opfer eines mutmasslichen Schneeballsystems wurde», sagt der 59-Jährige. Er kenne den Verdächtigen schon seit Jahren. Dieser habe über sein Einzelunternehmen Gelder zu Anlagenzwecken entgegengenommen und diese jedoch nicht, oder zumindest nicht vollständig, wie vereinbart investiert. Stattdessen habe er das ganze Vermögen für eigene Zwecke oder für Rück- und Zinsauszahlungen an andere Anleger verwendet, so der Verdacht.
«Ich schäme mich und bin immer noch fassungslos, dass mir sowas passieren konnte.»
«Ich schäme mich und bin immer noch fassungslos, dass mir sowas passieren konnte», sagt der Baselbieter gegenüber 20 Minuten. Der 59-Jährige lernte den mutmasslichen Betrüger durch seine Schwester kennen, die ebenfalls bei ihm investierte. «Er war sogar bei uns zu Hause und war immer sehr freundlich und professionell», so der Mann. Der gelernte Kaufmann sagt, er habe sein Vermögen nicht blauäugig investiert. Er habe gar die Zweitmeinung eines Finanzexperten eingeholt: Dieser beurteilte die Anlagestrategie des Vermögensverwalters als «ethisch an der Grenze, aber erfolgsversprechend».
Umso tiefer sitzt der Schock. Insgesamt beläuft sich der Schaden beim Baselbieter auf ungefähr 1.6 Millionen Franken, wie er sagt. Seine Schwester habe gar 2.2 Millionen Franken investiert. Dabei habe der «Investment Consultant» über eine längere Zeit mehrere Geldbeträge bekommen und auf mehrere Konti verteilt.
Bereits 1993 machte sich der Beschuldigte als Vermögensverwalter selbständig. Die ihm vorgeworfenen kriminellen Machenschaften könnten bis dahin zurückreichen, vermutet die Staatsanwaltschaft «aufgrund der bisherigen Erkenntnisse». Laut dem 59-Jährigen handle es sich bei den meisten der Betroffenen um ältere Personen. Diese hätten teilweise ihre ganze Altersvorsorge investiert und hätten jetzt Schulden. Auch er habe jetzt hohe Steuerschulden und sei sehr besorgt. «Am meisten bin ich darüber entsetzt, dass er die betroffenen Personen ausbeutete, obwohl er wusste, dass er sie ruinieren wird. Wie kann man unschuldige Menschen nur so ausnutzen? Er hat einfach kein Gewissen», sagt er.
In einem Brief fragt er den Vermögensverwalter: «Weshalb haben Sie uns immer wieder nach Geld gefragt, obwohl Sie schon wussten, dass Sie Kapital verloren haben? Weshalb haben Sie uns jahrelang betrogen und gekündigtes Kapital nicht ausbezahlt? Leider muss ich vermuten, dass Sie viele Existenzen vernichtet haben. Können Sie mit so einer Schuld noch leben?»
«Ich weiss, dass mein Handeln unentschuldbar ist. Es tut mir alles unendlich leid.»
Was geschehen sei, habe er nie geplant, antwortete der Verdächtige, ebenfalls in einem Brief. «Ich bin Tag für Tag an meinem Computer gesessen, habe meine Charts nachgeführt und auf ein entsprechendes Signal gewartet. Und wenn ein Signal da war, habe ich nicht auf ‹Kaufen› oder ‹Verkaufen› gedrückt, sondern bin erstarrt dagesessen.» Im Schreiben zeigt der Vermögensverwalter auch Reue: «Ich weiss, dass mein Handeln unentschuldbar ist und trotzdem muss ich sagen, dass mir alles unendlich leid tut.»
Er und sein Anwalt wollten sich gegenüber 20 Minuten nicht zu den Vorwürfen und dem Strafverfahren äussern.
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