Johann Schneider-Ammann«Ich schaue ‹Giacobbo/Müller› nicht»
Im Interview spricht sich Johann Schneider-Ammann für eine Drosselung der Zuwanderung aus – und kontert die Kritik an seinen rhetorischen Fähigkeiten.
Herr Bundesrat, Sie bekleiden 2016 das Amt des Bundespräsidenten. Haben Sie schon Vorsätze fürs neue Jahr gefasst?
Ja. Für mich gibt es im Präsidialjahr ein grosses Thema: Jobs, Jobs und noch einmal Jobs. Ich will Arbeitsplätze für alle – unabhängig von der Ausbildung und dem Alter. Wir müssen als Zweites dafür sorgen, dass die Schweiz ein sicheres Land bleibt. Auch wir sind vor terroristischen Bedrohungen nicht gefeit. Und drittens müssen wir den Bilateralen Weg sichern und für die Begrenzung der Zuwanderung eintreten.
Gibt es auch persönliche Vorsätze?
Ich habe mir vorgenommen, ein guter Landesvater zu sein und unsere Geschlossenheit zu stärken. Man muss nicht bereits mit Kompromissen in Verhandlungen gehen, aber bereit sein, Kompromisse zu finden. Damit spreche ich alle an – gewisse etwas mehr. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen können wir als kleines Land nur bestehen, wenn wir wirklich geschlossenen auftreten.
Bis im Februar 2017 muss die Masseneinwanderungsinitiative umgesetzt sein. Der Bundesrat plant die Einführung einer Schutzklausel. Wie zuversichtlich sind Sie, dass eine einvernehmliche Lösung mit der EU gefunden werden kann?
Die Schutzklausel schien mir seit Beginn der Diskussion die beste Option. Deshalb habe ich sie bewusst immer wieder ins Gespräch gebracht. Zur Erreichung unserer Ziele brauchen wir eine solche Mechanik. Eine, die im richtigen Moment wirkt. Die das Grundprinzip der Personenfreizügigkeit nicht infrage stellt, aber eine dämpfende Wirkung hat.
Wann soll diese Schutzklausel greifen? Ist eine Schwelle von 21'000 Personen realistisch, wie sie die SVP ins Spiel gebracht hat? Oder 65'000, wie es von Seiten der Wirtschaft zu hören war?
Eine Zahl werden Sie von mir nicht hören. Aber ich bin der Meinung, dass eine Nettozuwanderung von 80'000 Personen wirklich zu viel ist. Deshalb ist eine Dämpfung auch aus meiner persönlichen Sicht notwendig.
Hätten Sie es gern gesehen, wenn einer der beiden SVP-Bundesräte das Migrations-Dossier übernommen hätte?
(Schmunzelt). Ich kommentiere die Departementsverteilung nicht. Wie Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bereits gesagt hat, war uns Kontinuität ganz wichtig.
Welche Erwartungen haben Sie an Ihren neuen Kollegen Guy Parmelin?
Ich kenne Guy Parmelin, seit er in Bern politisiert. Er ist ein Mann mit Bodenhaftung, der keine Ratschläge von Kollege Schneider braucht. Er wird sein Departement sicher mit viel Engagement und Freude führen. Ich gehe davon aus, dass er ein dialogbereiter, solider SVP-Bundesrat sein wird.
Stehen Sie eigentlich gern im Rampenlicht? Mögen Sie Staatsempfänge und Gala-Dinners?
Ich suche das Rampenlicht nicht, aber das gehört zur Funktion. Jeder Staatsbesuch, an dem ich in den letzten fünf Jahren teilnahm, war rückblickend ein sehr schönes Ereignis. Einen Abend lang neben François Hollande zu sitzen und mit ihm auf Du und Du über unsere Länder zu sprechen, war hochspannend. Ich habe Hollande erklärt, wie ich die Arbeitsplätze in meinen damaligen Firmen in Frankreich «d'une manière suisse» erfolgreich durch die Wirtschaftskrise gebracht habe. So schickte ich die Leute elf Monate lang bei vollem Lohn nach Hause, als die Aufträge einbrachen. Als sie danach wieder kamen, lief die Produktion auf Hochtouren, dank Genehmigung des Bürgermeisters über die üblichen Wochenstunden hinaus. Hollande hat mir gut zugehört.
Gibt es ein anderes Staatsoberhaupt, auf das Sie sich freuen?
Ich freue mich vor allem auf die Meetings mit den Nachbarn in Wien, Paris, Berlin und Rom. Die sind ganz wichtig. Denn diese Nachbarn sind es, die in Brüssel schliesslich sagen müssen: «Wir wollen, dass es mit der Schweiz eine Lösung gibt.»
Dann müssen Sie also Angela Merkel noch um den Finger wickeln in diesem Jahr.
(Schmunzelt). Das wird nicht einfach sein. Aber Berlin ist sicher einer der bedeutendsten Partner für uns.
Freut sich Ihre Frau, Sie an all die Anlässe im Ausland begleiten zu dürfen?
Ich habe mit ihr seit vielen Jahren die Abmachung, dass wir Beruf und Privates trennen. An den Staatsempfängen nimmt sie gerne teil. Aber danach ist sie glücklich, wenn ihre Privatsphäre wieder akzeptiert wird. Sie sucht die Öffentlichkeit nicht.
Sie müssen davon ausgehen, dass auch die Herren Giacobbo/Müller Ihre Auftritte nächstes Jahr verfolgen und in den Sendungen genüsslich sezieren werden …
… ich weiss nicht, wovon Sie sprechen (lacht). Ich schaue diese Sendung nicht. Ab und zu höre ich von Beiträgen über mich.
Tut die Kritik an Ihrem Kommunikationsstil, die auch von anderer Seite immer wieder auftaucht, weh?
Ich halte mich da ans Ergebnis des Parlaments, das mich sehr gut wiedergewählt hat und damit meine Leistung anerkennt. Ich glaube, dass ich meinen Beitrag erfolgreich leiste, damit fast alle in unserem Land einen Job und damit eine Perspektive haben. Gerade die Jungen! Das zählt letztlich.
Halten Sie eigentlich gern Reden?
Das hängt vom Rahmen ab. Nicht immer mit der gleichen Begeisterung.
Ihr Parteipräsident Philipp Müller rät den Parteimitgliedern, das Publikum pro Event mindestens dreimal zum Lachen zu bringen. Erzählen Sie uns einen Witz?
Ich habe lang keine Witze mehr erzählt. Ich kann gerade keinen aus dem Ärmel schütteln.
Woran sollen sich die Schweizer in ein paar Jahren erinnern, wenn sie an Ihr Präsidialjahr zurückdenken?
Ich wünsche mir, dass die Schweizer im Rückblick ein Bundesrats-Team aus vier Parteien sehen, das massgeblich mitgeholfen hat, das Land innovativ und wettbewerbsfähig zu halten. Ich bin stolz darauf, dass wir nur eine Jugendarbeitslosigkeit von gut drei Prozent haben. Auch wenn jeder Jugendliche, der arbeitslos ist, einer zu viel ist. Zustände wie in Frankreich, wo über 25 Prozent der Jugendlichen ohne Job sind, sind dramatisch.
Wie geht es nach 2016 weiter? Dann werden Sie 65. Verlassen Sie den Bundesrat auf dem Zenit Ihrer Karriere?
Dieses Versprechen kann ich nicht abgeben (lacht). Ich mache meine Arbeit sehr gern. Wie es weitergeht, hängt von verschiedenen politischen und privaten Faktoren ab. Einer der Schwerpunkte in meiner Fachkräfteinitiative heisst: Bis zum Pensionierungsalter und darüber hinaus.