Neue StudieIm Evian-Wasser hat es mehr Chlorothalonil als im Zürichsee
Forscher fanden im Evian-Wasser Rückstände des verbotenen Pestizids Chlorothalonil. Der Fund hat die Experten überrascht. Sogar im Zürichsee waren die Messwerte tiefer.
Das Evian-Mineralwasser stammt aus der Cachat-Quelle, die unweit vom Genfersee liegt. Das Wasser, das laut dem Hersteller aus dem «Herzen der Alpen» stammt, gilt als besonders rein. So rein, dass sogar Forscher aus aller Welt ihre Messgeräte damit kalibrieren. Nun haben aber Forscher des eidgenössischen Wasserforschungsinstituts Eawag Rückstände des in der Schweiz verbotenen und als krebserregend geltenden Pestizids Chlorothalonil im Evian-Wasser gefunden, wie die «SonntagsZeitung» berichtet.
Der Zufall habe beim Aufdecken der Pestizid-Rückstände geholfen: Eigentlich hätten die Forscher mit dem Evian-Wasser nur ihre Apparate kontrollieren wollen. Um eine Fehlkalibration auszuschliessen, testeten die Experten ihre Instrumente mit anderen Referenzstoffen – etwa Regenwasser, das in Dübendorf und auf dem Jungfraujoch gesammelt wurde. Das berichten sie in einer im Wissenschaftsmagazin «Water Research» publizierten Studie.
«Konstante Vergiftung unseres Körpers»
Proben wurden unter anderem auch aus dem Rhein, dem Zürichsee und der Limmat entnommen. Während der Rhein einen Chlorothalonil-Gehalt von 53 Nanogramm pro Liter aufwies, lag der Wert bei der Zürcher Limmat bei 7 Nanogramm pro Liter und beim Zürichsee bei 5 Nanogramm pro Liter. Im Evian-Wasser wurde ein Wert von 6 Nanogramm pro Liter gemessen. Die Konzentration liegt jedoch noch deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Wie Evian-Sprecher Philippe Aeschlimann der Zeitung gegenüber sagt, liege die von den Eawag-Forschern gemessene Pestizidkonzentration unter der üblichen Detektionsgrenze und sei «für den Konsum nicht von Belang». Dem widerspricht Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasser-Initiative, wie sie zu 20 Minuten sagt: «Die Mär von der tiefen Pestizidkonzentration gilt nicht.» Immerhin würden wir nicht nur eine Dosis zu uns nehmen, sondern jeden Tag mit dem Pestizid durch das Essen oder Trinken in Berührung kommen. «Es ist eine konstante Vergiftung unseres Körpers.»
Da Evian stets als Referenz für unbelastetes Trinkwasser wahrgenommen wurde, habe sie selbst besorgten Leuten, vor allem Eltern mit Babys, die Marke bis jetzt immer empfohlen, sagt Herren. «Dass jetzt sogar dort Chlorothalonil-Rückstände gefunden wurden zeigt, dass die Pestizide überall sind.» Der Pestizid-Fund schockiere sie deshalb sehr. Vor allem, weil die Langzeitfolgen von Chlorothalonil noch nicht bekannt seien und sich das Pestizid kaum abbaue. «Die Studie zeigt, dass es unbelastetes Trinkwasser womöglich gar nicht mehr gibt.»
Pestizid-Rückstände auch in abgelegenen Orten
Dass das Grundwasser in 12 Kantonen durch Chlorothalonil-Abbauprodukte stark verunreinigt ist, ist bereits bekannt. Wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) im Mai bekannt gab, sei davon auszugehen, dass die Verunreinigungen die Grundwasserqualität noch während Jahren in grösserem Aussmass beeinträchtigen werden (20 Minuten berichtete).
Für Juliane Hollender, Mitautorin der Studie, war der Pestizidfund im Evian-Wasser eine Überraschung, wie sie gegenüber der «SonntagsZeitung» sagt: «Bisher ging die Forschung davon aus, dass man Chlorothalonil-Rückstände nur in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft findet.» In der Studie habe man aber erstmals an Orten gemessen, wo praktisch keine Landwirtschaft oder nur Weidewirtschaft betrieben werde. «Erstaunlicherweise haben wir auch an all diesen Messstellen Rückstände eines Chlorothalonil-Abbauproduktes gefunden», so Hollender.
Trinkwasserqualität «nach wie vor sehr gut»
Woher die Stoffe kommen und wie das Pflanzenschutzmittel sogar ins Evian-Wasser gelangen konnte, muss jetzt abgeklärt werden, so Dorothea Hug Peter, Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie (SGHL). «Die Studie zeigt, dass es sich jetzt lohnen würde, auch an abgelegenen Orten Wasserproben zu entnehmen.» Nicht zuletzt aufgrund der Wichtigkeit des Grundwassers für die Trinkwasserversorgung der Öffentlichkeit.
Trotz allem dürfe man jetzt nicht in Panik verfallen, sagt Hug Peter. «Trotz der nachgewiesenen Spuren von Pflanzenschutzmitteln ist die Trinkwasserqualität in der Schweiz nach wie vor sehr gut. Nicht zuletzt, weil auch die Richtlinien des Bundes diesbezüglich sehr streng sind.»