Falsche AngabenIndustrie verschleiert Palmöl in Waschmitteln
Der Konsumentenschutz kritisiert, dass die Palmöl-Industrie Kunden hinters Licht führe. Es brauche mehr Transparenz.
Menschen werden vertrieben, Regenwälder abgeholzt und Böden vergiftet: NGOs warnen vor den «verheerenden Folgen» des Palmölanbaus und fordern alle Schweizer Grossverteiler zu einer Reduktion palmölhaltiger Produkte auf. Denn das Öl steckt in rund jedem sechsten Produkt der Schweizer Geschäfte, wie das Factsheet von Fastenopfer und Brot für alle festhält.
Nun erhält das Problem zusätzliche Brisanz. «Die Hälfte der Reinigungs- und Waschmittel sowie der Kosmetika im direkten Schweizer Handel enthalten verschleiertes Palmöl», sagt Regine Schneider, Chemikerin und Geschäftsführerin der Firma Good Soaps. Laut Schneider existieren Hunderte von Inhaltsstoffen, die nicht direkt auf Palmöl schliessen lassen. Der grösste Teil versteckt sich in Emulgatoren. Diese verbinden Fett und Wasser. «Steht Cocos, Glyceryl, Stearyl, Cetearyl, Lauryl oder Decyl auf der Packung, ist Palmöl zu 90 Prozent der Rohstoff.»
«Schlupflöcher für Hersteller»
Schneider macht darauf aufmerksam, dass die Industrie das Palmöl in unterschiedliche Komponenten auftrennt, die einzelnen Bestandteile modifizierte und über 25-mal mischt. «Für die Hersteller öffnen sich somit zahlreiche Schlupflöcher, um das Palmöl nicht als solches zu deklarieren.» So bestehe das als mit «heimisches Öl» angegebene Mittel oft zu 80 Prozent aus Palmöl und nur zu einem verschwindend kleinen Anteil aus beispielsweise Rapsöl.
Die Stiftung Konsumentenschutz will diese Praxis stoppen. «Unternehmen, die Produkte mit verschleierten Palmöl-Inhalten anbieten, führen die Konsumenten bewusst hinters Licht», sagt Josianne Walpen, Leiterin Ernährung und Landwirtschaft. Die Stiftung verlange auch Transparenz auf allen anderen Produkten wie Kosmetika, Reinigungsmittel oder Waschmittel. Umso stossender sei dies, da viele Schweizer empfindlich auf Palmöl reagieren würden. «Sie wissen, dass Palmöl grosse Schäden an Mensch, Tier und Umwelt anrichtet, und verzichten deshalb bewusst auf den Kauf von palmölhaltigen Produkten.» Im Gegensatz zu Gebrauchsgegenständen unterstehen palmölhaltige Lebensmittel in der Schweiz seit 2016 einer Deklarationspflicht.
«Wie sollen Konsumenten davon wissen?»
Der WWF begrüsst, dass Palmöl einer Deklarationspflicht untersteht. «Aber wie soll der durchschnittliche Konsument wissen, dass es sich bei den genannten Inhaltsstoffen um Derivate von Palmöl handelt?», sagt Corina Gyssler, Sprecherin von WWF Schweiz. Es sei deshalb wichtig, dass Unternehmen ihre gesamte Beschaffung vollständig auf nachhaltiges Palmöl, Palmkernöl und Palmölderivate umstellen.«Wer sichergehen will, kauft Bioprodukte ein.» Auch rät sie, die Inhaltsstoffe mit der App Codecheck abzuklären. Diese analysiert die Inhaltsstoffe anhand des Barcodes.
Detailhändler sehen keinen Bedarf nach erweiterter Transparenz. Coop setzt laut Sprecherin Andrea Bergmann auf nachhaltiges Palmöl. «Die Deklarationsfrage ist Sache des Gesetzgebers.» Auch Lidl Schweiz verweist auf die geltenden Gesetze bezüglich Deklarationspflicht. «Wir sind laufend bemüht, bei weiteren Produkten das Palmöl durch andere pflanzliche Öle nach Möglichkeit zu ersetzen», sagt Corina Milz, Leiterin Unternehmenskommunikation von Lidl Schweiz. So habe Lidl zum Beispiel bei seiner Cornflakes-Eigenmarke von Palmöl auf Sonnenblumen- und Rapsöl umstellen können. Migros war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Hat die Forderung nach mehr Transparenz Chancen? Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV sind die Kennzeichnungsanforderungen etwa für Kosmetika mit jenen der EU harmonisiert. «Zusätzliche, von der EU abweichende Kennzeichnungsanforderungen würden ein Handelshemmnis darstellen und die Preise der Produkte dadurch erhöhen», sagt Sprecherin Nathalie Rochat.