Inklusions-Initiative«Es soll nicht länger über uns entschieden werden»
Die Unterschriften für die Inklusions-Initiative wurden der Bundeskanzlei überwiesen. Sie verlangt mehr Gleichberechtigung und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen im Alltag. Gegenstimmen warnen bei einer Annahme jedoch vor hohen Kosten.
Darum gehts
Tausende Menschen haben sich zur Einreichung der Inklusions-Initiative auf dem Bundeshausplatz versammelt – das Komitee hat dafür eine provisorische Rampe gebaut.
Die Initiative fordert, Barrieren im Alltag zu beseitigen und mehr Selbstbestimmung bei beispielsweise Wohnortswahl und gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.
Für die SVP-Nationalrätin Martina Bircher ist die Initiative zu extrem und zu teuer.
Tausende Menschen haben sich heute auf dem Bundeshausplatz versammelt, um dabei zu sein, wenn die Inklusions-Initiative eingereicht wird. Die Initiative fordert die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen – in der Schweiz sind es laut dem Bundesamt für Statistik rund 1,7 Millionen Menschen. Diese würden im Alltag immer noch diskriminiert werden, wie etwa beim Wohnen, bei der Arbeit oder im öffentlichen Verkehr.

Suad Dahir Ahmed (links) spricht bei der Einreichung der Unterschriften mit Mitte-Nationalrat Philipp Kutter (mitte) und SP-Nationalrat Islam Alijaj (rechts).
Monique WittwerErstmalig eine Rampe auf der Bundesterrasse
«Ich bin heute für alle Menschen hier, die ihre Stimme nicht erheben können und deren Stimme nicht gehört wird», verkündete Suad Dahir Ahmed, Mitglied des Initiativ-Komitees, auf dem Bundeshausplatz. Sie ist selbst psychisch beeinträchtigt und hat eine Lernschwäche.

Eine provisorische Rampe wurde aufgebaut, dass die Initianten die Unterschriften barrierefrei einreichen können.
Monique WittwerDamit die Initianten ihre Unterschriftenboxen ohne Hindernisse der Bundeskanzlei übergeben können, wurde zum ersten Mal eine provisorische Rampe auf der Bundesterrasse gebaut. Innerhalb von 14 Monaten seien über 108'000 Unterschriften gesammelt worden. Für die Betroffenen ein «historischer Tag für die Inklusion der Schweiz».
Forderungen für mehr Selbstbestimmung
Konkret fordert die Initiative eine Anpassung der Bundesverfassung in drei Bereichen:
Freie Wahl von Wohnort und Wohnform
Ende der Diskriminierung im Alltag
Bessere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
Viele Menschen mit Behinderungen möchten laut dem Komitee selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben, würden aber daran gehindert. Der Wechsel des Wohnkantons sei für diese Menschen nicht problemlos möglich, was laut den Initianten eine massive Einschränkung der Grundrechte sei. Auch in anderen Bereichen wie der Assistenzleistung gebe die Initiative den Betroffenen mehr Möglichkeiten. «Es soll nicht länger über uns entschieden werden», so Dahir Ahmed.
SVP-Bircher: «Weder praktizierbar noch finanzierbar»
Die Initiative klinge für die SVP-Nationalrätin Martina Bircher gut, sei aber zu extrem. Das Ansinnen fordere für jeden Menschen mit Behinderung eine selbst gewählte Wohnform, «dies ist weder praktizierbar noch finanzierbar», so Bircher. Die Politik versuche bereits laufend der Gleichberechtigung gerecht zu werden, beispielsweise mit dem Ausbau von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Bahnhöfen.

Für SVP-Nationalrätin Martina Bircher ist die Inklusions-Initiative «weder praktizierbar noch finanzierbar».
20min/Matthias SpicherDer Bundesrat muss als Nächstes mit einem Aussprachepapier auf die Initiative reagieren – dafür hat er drei Monate Zeit. Das Volk würde frühestens in einem Jahr über die Inklusions-Initiative abstimmen.
Lebst du oder lebt jemand, den du kennst, mit einer Behinderung?
Hier findest du Hilfe:
Verzeichnis der Behindertenorganisationen des Bundes
Inclusion Handicap, Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz, Information und Rechtsberatung
EnableMe, Portal und Community von und für Menschen mit Behinderungen
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