Inserat wirbt für gefährliche Tactical Pens

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Schwerste Verletzungen möglichInserat wirbt für gefährliche Tactical Pens

Ein Online-Warenhaus wirbt mit Kugelschreibern, die auch als Schlagstift dienen und schwerste Verletzungen verursachen können. Sie dürfen in der Schweiz legal verkauft werden.

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Ein Inserat einer NZZ-Beilage wirbt für einen Kugelschreiber mit massiver Metallspitze. Auf dem Werbefoto ist ein maskierter Einbrecher zu sehen.
Bei dem Kugelschreiber, der knapp 27 Franken kostet, handelt es sich um einen sogenannten Tactical Pen.
Er kann als Kubotan eingesetzt werden. Das ist ein mehrere Zentimeter langer Metallstab, der in asiatischen Kampfsportarten zur Selbstverteidigung eingesetzt wird, um einem Angreifer Hieb- oder Stichverletzungen zuzufügen.
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Ein Inserat einer NZZ-Beilage wirbt für einen Kugelschreiber mit massiver Metallspitze. Auf dem Werbefoto ist ein maskierter Einbrecher zu sehen.

Pro-Idee

«Auch bei grosser Aufregung leicht zu handhaben. Im Verteidigungsfall setzen Sie die Spitze als Druckverstärker ein. So erzielen Sie mit wenig Krafteinsatz einen nachhaltigen Effekt.» So wirbt ein Inserat einer NZZ-Beilage für einen Kugelschreiber mit massiver Metallspitze. Auf dem Werbefoto ist ein maskierter Einbrecher zu sehen.

Bei dem Kugelschreiber, der knapp 27 Franken kostet, handelt es sich um einen sogenannten Tactical Pen. Er kann als Kubotan eingesetzt werden. Das ist ein mehrere Zentimeter langer Metallstab, der in asiatischen Kampfsportarten zur Selbstverteidigung eingesetzt wird, um einem Angreifer Hieb- oder Stichverletzungen zuzufügen.

Staatsanwaltschaft entscheidet

Kubotans gelten in der Schweizer Gerichtspraxis als illegale Waffe, nicht aber Tactical Pens. Lulzana Musliu, Sprecherin vom Bundesamt für Polizei (Fedpol), sagt zu 20 Minuten: «Nach bisheriger Praxis fallen klassische Kubotans unter das Waffengesetz. Dies, weil sie vordergründig als Schlagstock oder Nervenpresse erworben werden.» Das bedeute, dass man für den Besitz eines entsprechenden Schlagstifts – etwa in Form eines Schlüsselanhängers – eine Ausnahmebewilligung brauche (siehe Box). Im Gegensatz zum Kubotan habe der Tactical Pen eine zweite Funktion, nämlich jene als robuster Kugelschreiber, so Musliu.

«Gegenstände, die auch gefährlich sein können – wie etwa Hammer oder eben dieser Pen – fallen nicht pauschal unter das Waffengesetz. Je nach Sachverhalt kann die zuständige Staatsanwaltschaft aber entscheiden, ob es sich in einem konkreten Fall dennoch um eine Waffe im Sinne eines gefährlichen Gegenstandes handelt.» Das sei etwa dann denkbar, wenn der Pen absichtlich dazu erworben worden sei, um Personen zu verletzen.

Tödliche Verletzungen

Kubotan und Tactical Pen können beide schwere, sogar lebensgefährliche Verletzungen verursachen. Selbstverteidigungstrainer Björn Wiebe sagt: «Es erschliesst sich mir nicht, dass Tactical Pens in der Schweiz erlaubt sind, Kubotans aber nicht.» Wenn man jemanden damit treffe, werde viel Schlagenergie auf eine kleine Stelle gelenkt.

«Nebst einem Schmerzreiz, der den Täter kurzzeitig ausser Gefecht setzen kann, können auch Muskeln beschädigt oder Knochen oder Gelenke zertrümmert werden», sagt Wiebe. Die schwersten Verletzungen könnten in der Kopfregion auftreten. Viele unterschätzten, wie tief so ein Kubotan oder ein Tactical Pen bei einem harten Schlag gehen könne. «Ein Loch im Kopf oder Verbluten durch einen Treffer auf die Halsschlagader sind durchaus möglich.»

«Gesetzeslücke schnell schliessen»

SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf ortet darum eine gefährliche Gesetzeslücke: «Hier ist offensichtlich genau ausgelotet worden, unter welchen Bedingungen der Absatz eines solchen Geräts, dessen Hauptfunktion in der Schweiz theoretisch unter das Waffengesetz fällt, trotzdem möglich ist.» Solange die Lücke nicht geschlossen sei, dürfe diese in gewisser Weise getarnte Waffe weiter verkauft werden. «Die Gesetzgebung hinkt in solchen Fällen der realen Praxis hinterher. Diese Lücke sollte so schnell wie möglich geschlossen werden», sagt Seiler Graf.

Für Robin Udry, Generalsekretär von Pro Tell, geht ein Verbot zu weit: «Den gleichen Effekt kann man mit einem «Caran D'Ache»-Stift erzielen. Auch Steigeisen müsste man dann verbieten.» In jedem Selbstverteidigungskurs rate man Frauen,

sich etwa mit dem Schlüsselbund zu verteidigen. Dieser wirke, wenn er an einem Lederband getragen werde, wie ein kleiner Morgenstern. «Es ist völlig übertrieben, alles zu verbieten und vor allem dient ein Verbot keinerlei zur Vestärkung der Sicherheit. Die Leute sollen sich wehren können, wenn sie angegriffen werden.»

Wie viele Tactical Pens oder Kubotans in die Schweiz eingeführt werden, ist unklar. Die Eidgenössische Zollverwaltung führt dazu keine gesonderte Statistik. Werde am Zoll mutmasslich oder tatsächlich verbotene Ware festgestellt, übergebe man diese an die zuständige Staatsanwaltschaft, sagt Sprecher David Marquis. Wortkarg geben sich die Händler: Mehrere Vertreiber wollen gegenüber 20 Minuten nicht Stellung zu den Verkaufszahlen nehmen. Pro-Idee, der Online-Shop, der den Tactical Pen mittels Inserat bewarb, gibt zu Auskunft, dass man das Inserat von einem Fachexperten der Zentralstelle Waffen habe habe überprüfen lassen. Dieser habe es als unbedenklich eingestuft. «Somit dürfen wir unseren Kunden den Tactical Pen als interessantes Produkt anbieten.»

Das Online-Warenhaus Galaxus führt seit Januar insgesamt fünf solche Tactical Pens im Sortiment. Mediensprecher Alex Hämmerli sagt: «Es handelt sich um Nischenprodukte, die wir nicht selber an Lager haben. Bisher haben wir nur wenige Dutzend Stück verkauft.»

In England verboten

Nachdem eine Schaffhauserin einen Kubotan als Schlüsselanhänger mit sich trug, wurde er 2013 von der Flughafenpolizei Zürich beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft sprach die Frau kurz darauf des vorsätzlichen Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig. Sie habe unerlaubt eine Waffe auf sich getragen. In Deutschland sind Kubotans erlaubt und dürfen zu Selbstverteidigungszwecken mit sich getragen werden. Auch in Österreich fallen sie nicht unter die gesetzliche Definition von Waffen. In Grossbritannien hingegen fallen die Metallstäbe unters Waffengesetz und sind strikt verboten.

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