Irrtümer, Verwechslungen und FehlerInsider berichten über Pfusch-Fälle an Schweizer Spitälern
Bei mindestens einem spektakulären Fall wurde der falschen Person ein Körperteil amputiert. Auch anderswo läuft offenbar vieles nicht so wie es sollte. Einen Überblick hat niemand und die Verantwortlichen kommen oft ohne Konsequenzen davon.
Darum gehts
Bei vielen medizinischen Eingriffen in der Schweiz geht etwas schief.
Stress, Unterbesetzungen und eine hohe Anzahl Eingriffe führen zu Fehlern.
Doch ein entsprechendes Register fehlt.
Das medizinische Personal ist zurzeit in aller Munde. Am 28. November stimmen wir über die Pflegeinitiative ab, die den Berufsstand aufwerten und entlasten will. Neue Erkenntnisse, die die Tamedia-Zeitungen (Bezahlartikel) zusammengefasst haben, unterstreichen die Dringlichkeit der Diskussion. Denn in den Operationssälen der Schweiz dürfte es häufiger zu fehlerhaften Eingriffen kommen als man denkt. In mindestens einem spektakulären Fall wurden der falschen Patientin Körperteile amputiert.
Verwirrende Medikamentenverpackungen und falsche Magensonden
In der Fachsprache werden Fälle von falschen Eingriffen «Never Events» genannt, denn sie hätten nie stattfinden sollen oder dürfen. Trotzdem kommt es immer wieder dazu. In Lugano geschah im Jahr 2013 ein besonders krasser Fall. Dort wurden an einer Privatklinik der falschen Patientin die Brüste amputiert. Zwar litt auch die betroffene Patientin an Brustkrebs und benötigte deshalb einen operativen Eingriff. Weil der Tumor bei ihr aber noch relativ klein war, hätte ein minimer Eingriff gereicht. Stattdessen entfernte ein Chirurg ihr beide Brüste. Anschliessend erklärte man ihr, dass der Tumor doch grösser als gedacht gewesen sei. Das stimmte aber nicht. In Wahrheit hätte eine andere Frau auf dem Operationstisch liegen sollen.
Dass der Fall überhaupt aufgeflogen ist, entspricht eher einer Seltenheit. Denn: In der Schweiz besteht keine Meldepflicht für solche Vorkommnisse. Dementsprechend selten kommt es zu Verurteilungen. Im Tessiner Fall nahm sich ein Gericht allerdings der Sache an und verurteilte den Chirurgen, dem der Fehler unterlaufen war, zu einer Geldstrafe von 11’500 Franken und einer Haftstrafe von acht Monaten bedingt.
In den Tamedia-Zeitungen werden weitere Fälle aufgeführt. So wurden auch schon Magensonden in Lungen eingeführt. Ein besonders weit verbreiteter Fall eines «Never Events» dürfte gemäss Angaben von Insidern die Verabreichung des falschen Medikaments oder die falsche Dosis des richtigen sein. Dies belegen auch Zahlen aus anderen Ländern. Als Gründe nennen Betroffene im Artikel unter anderem die Verpackungen von Medikamenten. Diese würden sich oft zu ähnlich sehen. Unter Stress würden Angestellte dann manchmal zum falschen Mittel greifen.
Nationales Meldesystem könnte Abhilfe schaffen
Die steigende Belastung im Medizinalbereich trägt ihren Teil dazu bei, dass es zu Fehlern kommt. Die schiere Menge an Arbeit ist beachtlich: 10’500 Medikamente werden alleine am Universitätsspital Basel jeden Tag verabreicht. Auch in der Rundschau von SRF am Mittwochabend waren die Verhältnisse in der Branche Thema. Betroffene berichteten unter anderem, wie häufig es vorkomme, dass Patientinnen und Patienten auf dem Gang behandelt werden müssten. Es sei klar, dass Fehler passieren können, sagt der Experte David Schwappach denn auch im Tamedia-Artikel: «Es geht nicht darum, mit dem Finger auf medizinisches Personal zu zeigen.»
Stattdessen wird nun über ein nationales Meldesystem für «Never Events» gesprochen. In einem solchen könnten Fehler anonym gemeldet werden. In England gibt es bereits ein solches. 472 Fälle wurden dort für das Jahr 2019 gezählt. Bremsen würden die Einführung einer solchen Stelle zurzeit noch die Haftpflichtversicherungen der Spitäler, sagen viele in der Branche. Angesichts der steigenden Anzahl Fälle, die bekannt würden und der Zahlungen, die daraus folgen, hätte sich diese Handlung jedoch gewandelt, gibt ein Versicherungsvertreter zu Wort.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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