InternaUntersuchungen zum Prigoschin-Absturz? Moskau sagt «Njet»
Der Jet, in dem Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin umkam, war aus Brasilien. Ein Angebot der brasilianischen Luftfahrtbehörde, den Absturz transparent zu untersuchen, schlägt Moskau aus.
Der Absturz des brasilianischen Embraer-Jets wurde verschiedentlich aufgenommen.
Darum gehts
Jewgeni Prigoschin, zwei hochrangige Wagner-Kommandanten und vier Leibwächter waren letzte Woche beim Absturz der Embraer Legacy 600 nördlich von Moskau getötet worden.
Der Jet wurde in Brasilien hergestellt.
«Im Interesse der Verbesserung der Flugsicherheit» hat Brasilien angeboten, sich an der Untersuchung zur Absturzursache zu beteiligen. Moskau lehnt die «im Moment» ab.
Prigoschin ist in aller Heimlichkeit, aber ohne militärische Ehren in St. Petersburg beerdigt worden.
Zuvor fand ein gezieltes Verwirrspiel um den Friedhof statt.
Wieso stürzte der brasilianische Embraer-Jet Legacy 600 mit Söldnerboss Jewgeni Prigoschin an Bord ab? Nach internationalen Regeln wird das «im Moment» nicht untersucht, wie Moskau die brasilianische Luftfahrtbehörde informierte. Das hat die Nachrichtenagentur Reuters in Erfahrung gebracht.
Das brasilianische Zentrum für Forschung und Prävention von Luftfahrtunfällen (Cenipa) hatte Russland letzte Woche «im Interesse der Verbesserung der Flugsicherheit» angeboten, sich an der Untersuchung zur Absturzursache des brasilianischen Jets zu beteiligen.

Ein Kontrollpunkt in der Nähe der Absturzstelle des Privatjets, der mit dem Wagner-Söldnerchef Jewgeni Prigoschin zwischen Moskau und St. Petersburg abgestützt ist.
REUTERSEs war ein Inlandflug
Dabei ist Russland nicht verpflichtet, Brasilien an der Untersuchung zur Absturzursache zu beteiligen oder solche Ermittlungen einzuleiten. Dies werde lediglich empfohlen, so die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation der Vereinten Nationen (Icao) mit Sitz in Montreal. Da es sich bei dem Flug von Moskau nach St. Petersburg um einen Inlandflug handelt, fassten internationale Vorschriften nicht.
Wenn Brasilien, dem Land, in dem das Flugzeug hergestellt wurde, an Ermittlungen zur Absturzursache nicht beteiligt sei, werde eine rein russische Untersuchung «immer infrage gestellt», sagt der US-Luftsicherheitsberater John Cox zu «Reuters».
«Es wird keine transparente Untersuchung sein»
Das sieht auch Jeff Guzzetti so: «Wenn sie das nicht tun, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass es keine transparente Untersuchung sein wird», so der ehemalige US-Flugzeugabsturzermittler.
Offiziell ermittelt Russland nach dem Absturz intern wegen Verstosses gegen die Sicherheit in der Luftfahrt. An einen Unfall glauben auch nur wenige Russen.
Flugzeug um Flugzeug?

Prigoschins Maschine stürzte unweit einer Residenz Putins auf den Tag genau zwei Monate nach der Kurz-Revolte gegen Moskau ab.
REUTERS«Es war bemerkenswert, dass alle unsere Quellen in Russland, darunter viele im Sicherheitsapparat, sofort vermuteten, dass Prigoschin auf Putins Befehl getötet wurde», sagte der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow.
Viele sahen das als Rache für die bei dem Wagner-Aufstand im Juni getöteten Piloten. Während des bewaffneten Aufstands hatte Prigoschin mehrere Militärhelikopter und ein Flugzeug abschiessen lassen.
Prigoschins Maschine stürzte unweit einer Residenz Putins auf den Tag genau zwei Monate nach der missglückten Revolte ab. Geheimdienstexperte Soldatow sieht ein «neues Niveau» der Gewalt, weil auch Unbeteiligte – wie etwa die Crew des Flugzeugs – Opfer geworden sind.
Wie unter Stalin: «Typisches Bestrafungsmuster»

Der russische Präsident weigerte sich, an der Beerdigung seines einstigen Freundes teilzunehmen.
via REUTERSEin für Diktaturen typisches Bestrafungsmuster und «Züge eines Mafia-Staates» sieht der russische politische Analyst Alexander Baunow bei der US-Denkfabrik Carnegie.
Es sei schon unter Sowjetdiktator Josef Stalin üblich gewesen, sich noch einmal «dem Feind/Verräter vor der Vernichtung anzunähern» und den Anschein zu erwecken, dass alles vergeben sei. Putin hatte sich nach Prigoschins Aufstand noch mit ihm und Wagner-Kommandeuren im Kreml getroffen.
«Das ist wie in Filmen über die Mafia, die feindlichen Gruppen und ihre Bosse kommen zusammen, um dann aufeinander zu schiessen», schrieb Baunow. Putin halte sich seit 24 Jahren auch deshalb an der Macht, weil er immer wieder jede Bedrohung ausgeschaltet habe.
Begräbnis ohne militärische Ehren

Prigoschins Grab auf dem Porochowskoje-Friedhof. Der Kreml hat offenbar ein Verwirrspiel darum veranstaltet. So wurden gleich vor mehreren Friedhöfen in St. Petersburg Metalldetektoren oder Absperrungen aufgebaut und die Presse mit falschen Tipps gefüttert.
REUTERSAuch die Beerdigung des prominenten «Wagnerianers» ist eine breit diskutierte Frage: Prigoschin erhielt kein Begräbnis mit militärischen Ehren, wie es sich für einen «Helden Russlands» gehören würde.
Prigoschin erhielt auf dem Porochowskoje-Friedhof in St. Petersburg lediglich ein Holzkreuz neben dem Grabstein seines Vaters. 20 bis 30 Angehörige und Freunde sollen an der Bestattung des Wagner-Chefs teilgenommen haben.
Verwirrspiel um Friedhof

In mehreren russischen Städten wurde den Absturzopfern gedacht.
REUTERSDer russische Präsident Putin war ebenso wenig zugegen wie Journalisten. Diese seien vom Kreml «an der Nase herumgeführt» worden, schreibt der «Spiegel». Demnach wurden gleich vor mehreren Friedhöfen in St. Petersburg Metalldetektoren oder Absperrungen aufgebaut.
Dazu sei einem Lokalblatt der falsche Tipp gegeben worden, dass Prigoschin auf dem Serafimskoje-Friedhof bestattet werden soll – auf dem Friedhof im Nordwesten St. Petersburgs befindet sich das Pantheon für verdiente Militärs und Ehrengräber für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs.
Das Verwirrspiel um Prigoschins Bestattung sei «die letzte Etappe einer Spezialoperation zu seiner Beseitigung», so die Politologin Tatjana Stanowaja.
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