Tod in PolizeihaftIran nennt Todesursachen von Amini und Shahkarami – Angehörige entsetzt
Erst starb Mahsa Amini (22) in Polizeihaft, dann kamen bei Protesten auch die 16-jährige Nika Shahkarami und weitere junge Frauen ums Leben. Nun versucht das Regime, die Tode als Unfälle darzustellen – die Angehörigen dementieren vehement.
Darum gehts
Die Mutter einer während der Proteste im Iran getöteten 16-Jährigen hat die offizielle Version zum Tod ihrer Tochter infrage gestellt. Irans Polizeichef, General Hossein Aschtari, hatte erklärt, Nika Shahkarami sei während einer Versammlung von einem hohen Gebäude in den Tod gestürzt. Ihre Mutter Nasreen Shahkarami sagte dagegen, sie sei im Zuge des harten Vorgehens gegen die Proteste im Land aufgrund von Schlägen gegen den Kopf gestorben. Ihr Körper sei äusserlich intakt gewesen, doch seien einige ihrer Zähne, Knochen in ihrem Gesicht und am hinteren Teil ihres Schädels gebrochen gewesen. Die Behörden hätten den Tod ihrer Tochter zudem neun Tage geheim gehalten und ihre Leiche dann aus einem Leichenhaus geholt, um sie in einem abgelegenen Gebiet gegen den Wunsch der Familie zu verscharren.
Behörden verbreiten Unfall-Theorie
Die 16-Jährige habe am 19. September ihr Zuhause in der Hauptstadt Teheran verlassen, um sich den Protesten anzuschliessen. Sie hätten mehrfach telefoniert, dabei habe sie ihre Tochter gebeten, nach Hause zu kommen. Dann sei das Mobiltelefon aus gewesen, nachdem die Jugendliche mit Freunden vor Einsatzkräften geflüchtet sei. Die Suche nach ihr sei erfolglos geblieben, am zehnten Tag nach ihrem Verschwinden hätten die Behörden den Leichnam zunächst übergeben und ihn schliesslich wieder entführt.
Nika Shahkarami ist durch ihren Tod zur jüngsten Ikone der Proteste geworden, die sich nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im Land ausbreiteten und als schwerste Bedrohung seit Jahren für die herrschenden Eliten im Iran angesehen werden. Amini war vorgeworfen worden, ihr Kopftuch zu locker getragen und damit ihr Haar nicht ausreichend bedeckt zu haben. Versuche der Behörden, den Tod Shahkaramis als Unfall darzustellen, könnten ein Zeichen der Sorge sein, dass der Fall die Wut auf die Regierung noch weiter anfacht.
Aminis Tod auf Krankheit zurückgeführt
Auch für den Tod von Mahsa Amini (22) haben die Behörden am Freitag eine offizielle medizinische Erklärung veröffentlicht. In dem am Freitag veröffentlichten Bericht zu Aminis Tod wird nach Angaben des Nachrichtenportals Misan erklärt, dass die iranische Kurdin schon seit ihrer Kindheit an einer Schilddrüsenkrankheit gelitten habe. Die Untersuchungen sollen demnach ergeben haben, dass es wegen der Vorerkrankung nach ihrer Verhaftung zu einem Herzversagen gekommen sei, was zu ihrem Tod geführt habe. Polizeigewalt sei ausgeschlossen, weil bei der Leiche etwa keine Spuren von einem Schlag auf den Kopf gefunden wurden. Aminis Vater hatte dagegen stets betont, seine Tochter sei bis zu ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei «bei bester Gesundheit» gewesen und alle gegenteiligen Behauptungen seien gelogen.
Am Samstag gehen die oft von jungen Frauen angeführten Proteste in ihre vierte Woche. Landesweit nehmen Frauen und Mädchen ihre Kopftücher ab und schwenken sie, während sie den Sturz der Regierung fordern. Menschenrechtsgruppen glauben, dass in den vergangenen drei Wochen Dutzende Protestteilnehmer getötet wurden. Amnesty International veröffentlichte am Donnerstag einen Bericht, nach dem bei dem bislang wohl tödlichsten Zwischenfall in der Stadt Zahedan am 30. September mindestens 82 Menschen von iranischen Sicherheitskräften getötet wurden, darunter auch Kinder. Seit Beginn der Unruhen dokumentierte die Organisation mindestens 130 Todesopfer.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen