«Islamischer Staat»IS-Teenies beschäftigen Schweizer Geheimdienst
Der jüngste Fall der drei verhafteten mutmasslichen IS-Anhänger ist exemplarisch. Der Nachrichtendienst geht von einem Anstieg bei den im Netz radikalisierten Minderjährigen in der Schweiz aus.
Darum gehts
Die Bundesanwaltschaft befasst sich derzeit mit rund 100 Terrorverfahren.
Die Mehrheit davon ist jihadistisch motiviert.
Bei der Radikalisierung Minderjähriger und Jugendlicher spielen Tiktok, Instagram und Co. eine zentrale Rolle.
Der Nachrichtendienst des Bundes NDB hat in der Schweiz «mehrere Fälle» von Minderjährigen identifiziert, die sich im Cyberraum radikalisiert haben.
Der NDB rechnet mit einem Anstieg unter den jungen Verdachtspersonen.
Nach der Verhaftung von drei mutmasslichen Schweizer IS-Anhängern (15, 16, 18) mit Kontakten nach Deutschland hat die Bundesanwaltschaft gegen den 18-Jährigen aus dem Kanton Thurgau ein Verfahren eröffnet – «wegen des Verdachts auf strafbare Vorbereitungshandlungen zu vorsätzlicher Tötung sowie der Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation».
Der Fall erscheint geradezu exemplarisch. Immerhin gibt es in der Schweiz einen neuen Höchststand an Verfahren im Bereich des Terrorismus, wie die Bundesanwaltschaft in ihrem Tätigkeitsbericht 2023 eben erst festhielt.
Zurzeit rund 100 Verfahren
«Gesamthaft werden bei der Bundesanwaltschaft in diesem Bereich zurzeit rund 100 Verfahren und Rechtshilfeersuchen aus verschiedensten Ländern bearbeitet», teilt Mediensprecherin Linda von Burg auf Anfrage von 20 Minuten mit. «Die überwiegende Mehrheit davon betrifft das Phänomen des jihadistisch motivierten Terrorismus.»
In den letzten zwei bis drei Jahren haben die Fallzahlen dabei nochmals markant zugenommen. «Die Fallzahlen zeigen, dass das Phänomen in der Schweiz mitnichten verschwunden, sondern nach wie vor sehr präsent ist», so von Burg.
«Das plausibelste Terrorszenario für die Schweiz»
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) verweist in seinen Sicherheitsberichten schon seit Jahren auf die erhöhte Terrorbedrohung – diese sei primär von der jihadistischen Bewegung geprägt, «insbesondere durch Personen, die mit dem ‹Islamischen Staat› sympathisieren oder durch jihadistische Propaganda inspiriert werden», wie NDB-Sprecherin Isabelle Graber sagt.
«Das plausibelste Terrorszenario für die Schweiz ist derzeit ein jihadistischer Gewaltakt, der von einer jihadistisch inspirierten, einzelnen Person verübt wird.» Nach Einschätzung des NDB würde sich «dieser Angriff gegen schwach geschützte Ziele wie zum Beispiel Menschenansammlungen richten und geringe logistische und organisatorische Mittel erfordern».
Jihadisten sehen Schweiz als legitimes Terrorziel
«Die Schweiz gehört zur westlichen, von Jihadisten und Jihadistinnen als islamfeindlich eingestuften Welt und stellt damit aus deren Sicht ein legitimes Ziel für Terroranschläge dar», so Graber.
«Nach Beurteilung des NDB sind aber andere Staaten exponierter, insbesondere solche, die sich militärisch an internationalen Koalitionen gegen den ‹Islamischen Staat› beteiligen oder von jiihadistisch inspirierten Personen als besonders islamfeindlich wahrgenommen werden.»
Junge Radikalisierte beschäftigen Geheimdienste
Obwohl kein gänzlich neues Phänomen, beschäftige das Thema «Radikalisierung Minderjähriger» die europäischen Nachrichtendienste verstärkt.
Im Bereich des jihadistischen Terrorismus radikalisierten sich Minderjährige in vielen Fällen online und im Vergleich zu Erwachsenen häufig in sehr kurzer Zeit (siehe Box). «Die Faszination für Gewalt spielt dabei in der Regel eine grössere Rolle als die Ideologie», sagt Graber.
Minderjährige seien häufig «ideologisch flexibel». Soziale Netzwerke wie Tiktok, Instagram und Telegram wie auch Online-Prediger aus dem salafistischen Ideologieraum spielten eine zentrale Rolle bei der Radikalisierung.
Mehr minderjährige Verdachtspersonen
Eine Zunahme der Anzahl minderjähriger und jugendlicher Verdachtspersonen und Täterschaften erachtet der NDB als wahrscheinlich.
«Die individuelle Einschätzung, ob von einem oder einer Minderjährigen eine Bedrohung ausgeht, stellt die Behörden vor Herausforderungen», so Graber. Sie fügt an, dass wegen der jugendlichen Identitätssuche die Ernsthaftigkeit von Aussagen oft nicht bewertet werden könne.
NDB: Mehrere Fälle in der Schweiz
Soziale Netzwerke sind für Minderjährige leicht und oft unkontrolliert zugänglich, sie ermöglichen den Austausch mit Gleichgesinnten und die Bildung virtueller Netzwerke über Landesgrenzen hinweg. «Auch in der Schweiz hat der NDB mehrere Fälle von Minderjährigen identifiziert, die sich im Cyberraum radikalisiert haben», so NDB-Sprecherin Isabelle Graber.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sei die Zahl identifizierter radikalisierter Minderjähriger zwar gering – aber «die Auswirkungen können gravierend sein und bis zur terroristischen Gewaltanwendung führen».
Die stetige Beschäftigung mit jihadistischer Propaganda könne insbesondere sozial isolierte oder psychisch labile Minderjährige radikalisieren und sie zur Anwendung von Gewalt inspirieren.
Wisst ihr, wann der erste jihadistische Anschlag in der Schweiz stattfand? (Korrekte Antwort in der Bildstecke)
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